martedì 19 aprile 2011

Die Ehre und die Passion (IV.Teil)

Kapitel 7:
Die Befreiung Elsas

Damiano blieb überrascht gegenüber einem wirklichen Sturm von aus der Luft gegriffenen Boshaftigkeiten, die nach dem Treffen von Seiten Sandras auf seine alte Freundin Elsa niederprasselten.
Aber warum gab es so viel Hass? Die Antwort war offensichtlich: Sandra hatte so eine neue Runde verführerischer Techniken im Verhältnis zu Damiano angefangen. Beleidigende Worte, scheele Blicke, um Elsa abzuwerten, um die Möglichkeiten zu erhöhen, ihren Chef zu verführen: eine typisch weibliche Aggressivität, sehr bissig für ihre ganze fruchtbare Zeit, wenn das Potential für die Empfängnis und den Kampf um den idealen Partner, der sich jetzt herauskristallisierte, am intensivsten war.
Elsa war süß, vielleicht hübsch, aber nicht schön, ein Gesicht jedoch, das nicht den zwischengeschlechtlichen Neid aufstachelte, sondern eher die Nähe, die Komplizenschaft und die Solidarität der anderen Frauen. Sandra, unerschütterlich und tobend, sagte stattdessen immer wieder: „Elsa hat ein nichtssagendes Gesicht: ich verstehe nicht, wie sie im Übrigen einen Mann anziehen könnte.“
Elsa jedoch litt ihrerseits und ertrug es still. Ihre Minderwertigkeit, die ihr voll bewusst war, wurde immer schlimmer und unangenehmer. Sie erkannte in diesen Salven von Worten und drohenden Blicken die Sandra von wenigen Jahren zuvor nicht wieder, und nicht nur, weil die Umstände sich geändert hatten, sondern auch, weil sie immer das „Kind“ geblieben war, aufrichtig und offen, jetzt mit der Frische und Reinheit der ersten Verliebtheit, Träumerin und Idealistin. Sandra hatte sich sehr verändert: in den täglichen Kontakten einer ihr auferlegten Zusammenarbeit und akzeptiert wegen der Liebe zum ruhigen Leben (und zu Damiano) stellte sie sich als sehr pragmatisch, zynisch, manchmal sarkastisch, intolerant und oft gequält von einer wilden unkontrollierbaren Wut heraus … im Großen und Ganzen war sie in den Augen der Freundin absolut nicht wiederzuerkennen. Aber Elsa war nicht so naiv, nicht zu merken, was der Grund für dieses „Erdbeben“ war und dachte und sagte etwas Anderes, und setzte so eine Verführungstaktik in Bezug auf den begehrten Mann in die Tat um. Wenn Damiano es am Anfang in ihrem Verhältnis mit Zärtlichkeit versucht hatte, musste sie dieses Gefühl nähren: ihr stand die Rolle des sich nicht verteidigenden Opfers gut, die „Kleine“ und so weiter. Wenn Damiano das nicht vergessen würde, würde bald der richtige Moment und die richtige Art kommen, ihm zu zeigen, dass er sie auch mit anderen Augen anschauen könnte und müsste … die Frau (und zwar jede Frau) wüsste, wie man das macht.
Und dann wählte Damiano auch noch Sandra als seine Ehefrau aus, was zu den Geheimnissen der Liebesleidenschaft gehörte, jenem Sturzbach von Emotionen, Unruhe, Gedanken und Trieben, deren Zusammensetzung niemals ganz klar sind, weil es ein trüber übervoller Schwall ist, der verkommt und überschwemmt.
Nachdem das Paar die Arbeit im Lager UNRRA aufgegeben hatte, verschwand es für lange Zeit aus den Augen von Elsa, die von 1948 bis 1988 nicht aufhörte Damiano zu suchen, aber Sandra wusste genau, wie sie ihn mit allen Mitteln versteckt halten konnte.
Aber in der Zwischenzeit, durch die Gespräche mit Damiano, hatte Elsa gelernt, dass der Beweis der Ehre, der einen Teil ihrer Jugend für ein verschwundenes und von den Ereignissen (die Liebe zum Vaterland, die überschattet wurde vom Nationalismus und vom mystischen Nationalfaschismus) eingeholtes Ideal begeistert hatte, mit Passion an den großen Projekten des moralischen Wiederaufrichtens und des materiellen Wiederaufbaus des demokratischen Italiens angewandt werden könne: zusammen mit ihm hatte sie die neuen Väter des Vaterlandes, unter ihnen den großen Enrico Mattei, kennen und schätzen lernen können.
Elsa heiratete Franco, und mit ihm hatte sie zwei Kinder. Seit 1985 war sie verwitwet, und am Ende des Sommers 1988 erfuhr sie, dass Damiano an Krebs im Endstadium erkrankt war und in der onkologischen Abteilung des Krankenhauses von Carrara lag.

Kapitel 8:
Die Rückschau: Margherita und Luciano (1943 – 44) und erneut zusammen (2001)

Endlich frei, aber auch allein, trug Margherita, als sie aus dem Lager von Casellina wegging, zusammen mit ihrem alten Rucksack voller Zigaretten, Süßigkeiten und einigen Dosen Fleisch auch eine sehr schwere Last von Trauer, Leid, Frustration, Angst und Gewissensbissen mit sich; ja, Gewissensbisse, aber auch Bedauern … unterdrückte Gefühle und eine verratene Liebe zu Luciano, dem Partisanen. Sie hatte bis zu jenem Augenblick gewisse Wendungen ihrer Gefühle und der nostalgischen Erinnerungen unterdrückt, indem sie alles rationalisierte wie es sich gehörte: sie hatte ihre Rolle als Informandin ausgeübt und hatte die passendste Wahl getroffen, oder vielleicht die einzige, die sie treffen konnte.
Es war der 1. Dezember 1945 und es waren genau zwei Jahre seit jenem 1. Dezember 1943 vergangen, als sie ihn auf jener wunderbaren Terrasse am See getroffen hatte.
Eine alte Legende erzählt, dass in der Nähe jeden Sees Feen leben. Ab und zu kommen sie aus ihrer Grotte heraus und gehen auf den See tanzen. Dadurch rufen sie einen dichten und Schrecken erregenden Nebel hervor, der das Wasser verhüllt. Wenn dann in jenem Moment eine Menschenseele ihre Einsamkeit stört, blicken sie hinaus auf die Grenze der Nebelwand und, lächelnd und verlockend, verzaubern: sie verhexen das Geschöpf, verführen es und führen es mit Tanzschritten zum Wasser, um es danach von der geheimnisvollen Tiefe des Sees verschlucken zu lassen.
Es war der 1. Dezember 1943: eine junge schlichte Frau im Pelzmantel hielt am Straßenrand an, sie hatte ein Balilla-Auto mit einigen mechanischen Problemen, sie hatte eine Panne.
Ein junger Mann mit einem Motorrad mit Seitenwagen, gestohlen von den Deutschen, fuhr um die letzte Kurve der Straße, die auf die vom Dorf kommende Straße traf: es war Luciano, und er war Teil einer Partisanengruppe, die sich in den Bergen niedergelassen hatte (gestrauchelte Soldaten nach dem Waffenstillstand von Badoglio, einige Widersacher der faschistisch-republikanischen Einberufung, Andere, die diese Wahl, mehr oder weniger überzeugt, getroffen hatten, aus der Not heraus).
Er jedoch war schon ein politischer Beauftragter mit Kultur und Bewusstsein.
Die zwei Blicke trafen sich: die Frau war sehr schön, groß, dunkel, geheimnisvoll. Aber vor allem lag in den Augen von Margherita eine äußerst starke Anziehungskraft, die den Geist und den Körper von Luciano ergriff und ihm keinerlei Selbstständigkeit, Handlungsfreiheit und freies Urteilsvermögen ließ.
Sofort war es eine Zähmende und ein Gezähmter (und eine Geschichte, die noch weitergeht …). Margherita erwartete sich alles außer einen solchen Waghalsigen zu sehen, der mit einem deutschen Motorrad mit Beiwagen herumfuhr. Im Gegenteil: Sie dachte, es sei ein Deutscher „außerhalb des Befehls“, wegen der Uniform. „Kamerade, ich habe einen Fehler auf dem Auto, hilf mir“.
Luciano dachte, es handle sich um eine deutsche Frau und antwortete ebenfalls in deutscher Sprache … aber sein Deutsch war nicht sehr glaubhaft, weswegen Margherita … „Also, hilfst du mir?“ – sagte sie in Italienisch, lächelnd und alle Möglichkeiten der Verführungskunst auf diesen Annäherungsversuch lenkend.
Während Luciano sich anschickte, Hand an den Motor anzulegen, umfing ihn buchstäblich der Blick von Margherita, bis zu dem Punkt, dass er völlig aufgewühlt war, und wenn er ab und zu den Blick auf Margherita richtete, schien es ihm immer noch, als ob diese sich ihm bemächtigte.
Es handelte sich letztlich um eine äußerst alltägliche Störung an einem elektrischen Kontakt, der unterbrochen war; dafür reichten die technischen Grundkenntnisse von Luciano vollkommen aus.
Margherita bemerkte, dass Luciano eine Pistole in der Tasche hatte, und sie beeilte sich zu sagen, dass sie eine Studentin der Universität sei, die nach Hause zu ihrer Familie zurückkehrte. Dagegen dachte Luciano sich aus, dass er ein von den Deutschen angestellter Arbeiter sei in der Organisation Todt, am nahegelegenen Bahnhof, und dass er vom unteren Teil des Sees kommend in den Firmensitz zurückkehrte.
Margherita dachte: „Du erzählst mir nicht die Wahrheit …“ Und gleich danach: „Aber er ist wirklich ein hübscher Junge.“
Sie sprachen miteinander, aber ohne in die Tiefe zu gehen: jede Vertiefung oder jedes persönliche Urteil konnte ein Indiz des Wiedererkennens des Einen von Seiten des Anderen sein.
Sie waren zwei Unbekannte, die jedoch beide irgendeinen Vorwand suchten, um eine Chance zu haben sich wiederzusehen.
Margherita blieb trotzdem ganz unerschütterlich in ihrer geheimen Rolle und in den Beweggründen, wie sehr auch immer der Konflikt in ihrer Seele vorhanden sein mochte.
Und es war ganz bestimmt das erste Mal, dass sie sich wirklich vom männlichen Reiz angezogen fühlte, auch weil Luciano bei den körperlichen Merkmalen einen jugendlichen Reiz und eine Weichheit bewahrte, die sehr gut in seine schwelende sexuelle Zweideutigkeit passte.
„Mir würde es gefallen, dich wiederzusehen,“ schlug Margherita anregend und verführerisch vor und fügte hinzu (es war kein Vorschlag oder Wunsch mehr, sondern fast ein Befehl), dass sie ihn am darauffolgenden Samstag im Gasthaus des Dorfes, unten am Ufer des Sees, erwartete.
Luciano nickte zustimmend, er war überrascht und hingerissen, das Herz schlug ihm bis zum Hals, als er sie ins Auto steigen und abfahren sah. Auch Margherita hatte nichts mehr gesagt: die Stille bedeutete, dass alles beschlossene Sache war und dass es nichts hinzuzufügen gab.
Und Luciano kehrte mit seinen Gefährten in die Berge zurück. Die getroffene Verabredung wurde mit einer außergewöhnlichen Pünktlichkeit von beiden erwartet. Im Gasthaus hatte die Ankunft der jungen eleganten und geheimnisvollen Dame, die ihr Auto dort gegenüber des Wurstwarenhändlers bei den Tausend Gerüchen geparkt hatte, eine große Neugierde verursacht, während in der Bar die Triebe und die Wünsche den gleichen Atemzug wie die eingefügten Dialoge von blasphemischen Ausrufen und das betörende Aroma vom Wein hatten.
Luciano traf ein, ein Typ, der, so wie es schien, den Anwesenden keineswegs unbekannt war, da sie ihm zur Begrüßung zuwinkten. Dann kam der Lokalsekretär der Partei der Republikaner, ein Faschist der ersten Stunde, der etwas Gutes für das Dorf gemacht hatte, der aber in keinem einzigen Moment große Zustimmung oder Sympathie erhielt, auch als er Sekretär der PNF war, er war mehr gefürchtet als gehasst und wurde gemieden. Was die Gegner des Faschismus und in diesem Moment die Partisanen anging, die er mehr oder weniger kannte und die er aufspüren konnte wie ein Hund die Trüffel, hatte er sich niemals persönlich und direkt um sie gekümmert, um sich die Hände nicht zu schmutzig zu machen.
Im Gegenteil: er hatte immer seine institutionelle Darstellung gefördert, das des Parteifunktionärs, bescheiden, tolerant, friedliebend und auch einflussreicher Vermittler bei Konflikten, die manchmal unter der Bevölkerung und den wenigen Deutschen der Eisenbahnpioniere, die im nahegelegenen Bahnhof anwesend waren, entstanden.
Indem er so agierte, dachte er, dass er sich einen möglichen zukünftigen Platz in einer Nachkriegsgesellschaft garantieren könne, bei der sich die Nicht-Beständigkeit des Faschismus andeutete, wenn der Krieg schon mal weiterginge.
Als jedoch Fabio C., der „republikanische Onkel mit dem Bart“ (er hatte, in der Tat, einen schwarzen Vollbart wie ein Kapuzinermönch, trotz der überschrittenen 60 Jahre) die Bar betrat, entzog sich jemand, jemand empfahl sich, andere heuchelten eine Verbundenheit und eine falsche Freundschaft vor, aber bei allen entstand sofort eine große Stille.
Er schaute in die Runde, schaute auch das ungewöhnliche Paar an, ohne absichtlich den Blick ruhen zu lassen, dachte ein bisschen bei einer Tasse Malzkaffee nach, die der Gastwirt ihm hingestellt hatte: er versuchte etwas von dem zu hören, was sie sagten, und diesbezüglich war die plötzlichen Stille, mit der Ausnahme einigen Wisperns, günstig für ihn, aber er schaffte es nicht, den Sinn der Unterhaltung zu verstehen, außer vielleicht einiger Worte.
Fabio konnte wissen, wer Margherita war, weil er sie in den Verband hatte eintreten sehen, um lange mit dem Sekretär der faschistischen Föderation zu reden, der sie dann auf sehr vertrauliche Art und Weise verabschiedet hatte, während der andere nicht aus dem Dorf stammte, aber das passierte oft, manchmal zusammen mit sehr fragwürdigen Persönlichkeiten – offensichtlich aus seiner Sicht.
Und dann, wie er es normalerweise machte, fragte er nicht, er ermittelte nicht vor Ort, aber ging wöchentlich in den Verband, um alles, was ihm nützlich und interessant für den „Prozess“, dem er sein ganzes Leben gewidmet hatte, schien, zu berichten.
Es war unnötig zu sagen, dass das anfängliche Gefühl zwischen den beiden Jungen sich fast sofort in ein völliges und leidenschaftliches Liebesverhältnis umwandelte und es folgten weitere Tage mit Verabredungen und Momenten großer Gefühle und dem Ausbruch ihres jugendlichen Übermutes.
Ein alter Fischer des Dorfes, der unter dem Gipfel des Hügels wohnte, dem Ort ihres ersten Treffens, war gewöhnlich der, der die beiden Liebenden Margherita und Luciano mit seinem Boot auf die Insel im See begleitete, wo er für sie ein Liebesnest in einem Häuschen an der grasbewachsenen Seite am Ufer bereitet hatte.
Sie schienen eins zu sein, zwei Teile einer Münze, die, wenn man sie zusammenfügte, eine komplette Einheit ergaben, es schien, dass der Krieg und seine Gefahren sie in keinster Weise berühren konnten.
Es war Winter, ein defektes Flugzeug stürzte dort ab, hinter der Burg, die die Insel beherrschte. Der Alte hörte auf zu rudern, um die Rauchsäule zu betrachten, die nach oben in Richtung Himmel stieg und gleichzeitig schien sich die Sicht auf die Insel selbst zu verschlechtern.
Nichts davon, was passierte, schien die beiden Jungen zu erschüttern, die wegen der Kälte und wegen der Notwendigkeit einer höchsten Intimität komplett in einige Decken eingewickelt waren.
Tonio schaute den Krieg und die beiden Liebenden an: zwei Wirklichkeiten, die absolut nicht zusammenzupassen schienen, Hunderte von Lichtjahren voneinander entfernt, und dennoch waren sie tragischerweise so nah und darin verwickelt.
Der Spaziergang, der am bewohnten Ort der Insel begann und mitten in die üppige Vegetation der tausend Gerüche am Ostende der Insel selbst führte, war ihr Raum für die Erinnerungen und das Theater für ihre sanftesten und melancholischsten Zärtlichkeit: sie schienen fast wie zwei Kinder mit der unbändigen Lust zu spielen, zu scherzen, zu schauspielern.
Aber die Bosheit des Krieges sperrte die Frische und den Übermut des magischen Alters von 20 Jahren ein; sie gehörten tatsächlich zu einer Generation, der auf grausame Art die Jugend geraubt und der alle Gewissheiten und Ideale, mit denen sie aufgewachsen war, geopfert worden waren.
Der Sekretär rief Margherita zu sich, um sie davon zu informieren, dass, wenn sie den jungen Mann kannte, diese Bekanntschaft nützlich für den republikanischen Prozess werden könnte.
Dann hatte Barbiccia erzählt.
Es interessierte ihn nicht, die Beweggründe zu wissen, die dazu geführt hatten, diese Bekanntschaft zu vertiefen, weil sie ziemlich offensichtlich bei seiner sofortigen emotionalen Reaktion waren: er forderte sie vielmehr auf, ihre wirklichen Gefühle zu kontrollieren, und sie solle auf der sexuellen Ebene bleiben und die Verbindung pflegen, um nützliche Informationen herauszubekommen.
Ihm war natürlich bekannt, dass sie fast sicher zu einer der Partisanenbanden gehörten, die sich in den Bergen bewegten, und die jetzt, es war ja Winter, große logistische und die Gruppenbewegungen betreffende Schwierigkeiten hatten, und die sich demnach in einigen Unterschlupfen, die von den besonderen Gegebenheiten der Orte geschützt wurden, versteckten.
Dann, wie er gewöhnlich sagte, musste er das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, indem er die Last auf sich nahm, jede für den Zweck nützliche Information zu erhalten.
Margherita hätte vorgezogen, dass all das nicht passiert wäre: dass die Sache nicht bekannt wäre und dass ihr nicht irgendeine Aufgabe anvertraut worden wäre, die ihr jetzt Unannehmlichkeiten, Angst und innere Konflikte verursachte.
Im Inneren verabscheute sie jenes Einschreiten des Chefs in ihre Intimsphäre: „Das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden“. Sie war kein zügelloser Mensch mit losen Sitten: vielmehr lebte sie mit Luciano diese ganz außergewöhnliche Erfahrung mit Selbstbeobachtung, Unruhe und Fantasie. Sie musste sich selbst enthüllen, außerhalb der technisch beabsichtigten sexuellen Beziehung, welches die wirklichen Grenzen ihrer Weiblichkeit, nicht nur die biologischen, waren.
Eines Tages versuchte Luciano, der die beunruhigende Lage, in der sich Margherita befand, und ihre wirkliche Identität als Beobachterin und Geheimagentin der RSI (es war noch nicht die letzte Wahl getroffen worden, ob sie dem faschistischen Staat in Uniform als Helferin dienen wollte), nicht ahnen konnte, herauszufinden, was die politischen Vorstellungen des Mädchens waren. Und um eine Antwort zu erhalten, ließ er sich naiv und unbedacht zu Überlegungen und Zugeständnissen hinreißen, die Margherita keineswegs überraschten, die sie trotzdem nicht hören wollte, und maß sich darüber hinaus eine Antwort an, die, wenn sie schon nicht von ihrer Rolle und der übertragenen Aufgabe vorgegeben war, nur eine banale, ausweichende und absolut falsche Antwort sein konnte.
Und so wusste Margherita, auch wenn sie es nicht wollte, dass es ein Dorf gab, das jenseits der Berge lag, welches zu erreichen war, wenn man ins Tal hinabstieg und dort, wo die Berge von Bäumen kahl waren, noch hinter der Bergkette, wieder aufstieg.
Diese Bergkette des Apennins war ein ideales Gebiet für eine Siedlung derer, die sich verstecken und es schaffen wollten leicht zu fliehen. Riogreve, genannt nach dem gleichnamigen Bach, war eine Siedlung von Häusern, die von Holzfällern bewohnt wurden. Diese Häuser dienten als logistisches Basislager für die Handlungen der Partisanen, die vorzugsweise ein bisschen weiter oben in Baracken und Holzhütten unter großen Erdschollen, die für die Dächer verwendet wurden, und natürlichen Orten Zuflucht suchten. Das umliegende Gebiet war also dicht von Widerständlern besiedelt, wegen seiner physischen Übereinstimmung, bestehend aus abgelegenen Gutshäusern, die vor allem im Winter, wenn Wasser und Eis die geschotterten Straßen in Rutschbahnen verwandelten, beträchtliche Probleme mit der Verständigung nach außen bekamen.
Man breitete sich also in einem Becken von Hügelketten und kleinen Wäldchen aus, dessen Zugangsstraßen leicht zu kontrollieren waren. Die Gegend, die abgelegenen Heuschober, die Hütten, die Grotten und die dichte Vegetation des Waldes garantierten sichere Verstecke. Die hohen Wiesen im Norden und die bewaldeten Hänge des Tales im Osten bildeten ideale Fluchtwege, um schnell die Spuren verschwinden zu lassen.
Mehrmals waren deutsche Soldaten, Deserteure oder Flüchtlinge, auf halber Höhe hineingeraten und die einfachen großzügigen Leute der Berge hatten sie auf die Wege begleitet, die in Richtung Norden führten.
Mehrmals halfen die Leute ihnen, um zu vermeiden, dass sie in die Hände der Partisanen fielen. Es war ein wirkliches „Land der Freiheit“, wo es keine Ideologien und zu befolgende aufgeschriebene Gesetze gab, sondern den gesunden Menschenverstand und ein gemeinsames Gewissen der Menschen.
Die Geschichte zwischen Margherita und Luciano entwickelte sich unaufhaltsam. Je näher die Front kam, desto öfter sahen sie in der Gegend des Sees Formationen von englischen und amerikanischen Flugzeugen, große viermotorige Flugzeuge, die „fortezze volanti“ hießen und in Richtung Norden flogen, um strategische Zentren zu bombardieren.
Eines Tages, während die beiden Liebenden sich davongemacht hatten ins Schilfdickicht am Seeufer, wurde eines dieser Flugzeuge von der deutschen Flugabwehr getroffen und konnte den eingeschlagenen Weg nicht mehr fortsetzen. Es drehte in Richtung See um und warf die ganzen Bomben ab: es schien das Ende der Welt zu sein und die Generalprobe für die immer drohender bevorstehende Tragödie der ankommenden Front.
Margherita, kalt und eisig in manchen Situationen und auch in ihrem Charakter, war in Bezug auf Luciano schrecklich verbissen in sich selbst. Sie hätte ihm sagen wollen: „Flieh! Ich bin nicht die, für die du mich hältst.“ Sie hatte keine Angst vor seiner Reaktion, aber auch nicht den Mut, sich mit den Folgen ihres Ungehorsams auseinanderzusetzen, mit der sie jeden Moment ihres Tages und ihres Handelns plante, nicht nur wegen der Angst ihr Leben zu verlieren, sondern auch, weil sie keine Lust dazu hatte, kümmerlich ihr Leben zu fristen und die Privilegien zu verlieren, die diese Position ihr bot und die letztendlich bald vorbei sein würden.
Alles was sie auf diesem See machten und was sie sich sagten, wurde in vielen Spiegeln reflektiert.
Der faschistische Sekretär hielt Margherita auf quälende Weise fest bis zum Zeitpunkt, als er ihr drohte, wenn sie, wie man in der Toskana gewöhnlich sagte, „weiterhin Zicken machen würde“. Margherita ließ die kalte Vernunft dem Gefühl vorherrschen und verriet den Namen des Ortes, der nur die Basis der Partisanenhandlungen darstellte und nicht die genaue Lage, die sie im Übrigen gar nicht kannte.
Und es war so, dass ein deutscher Soldat an Bord eines kleinen, mit Waffen beladenen Mannschaftswagens nach Riogreve geriet. Er sagte, er wolle sie zu den Partisanen schicken und er selbst wäre ein Deserteur und wollte sich ihnen ergeben. Es war nicht das erste Mal, dass Deserteure oder Versprengte wegen irgendetwas erschienen und Hilfe der Leute erhalten hatten. Manche hatten gerne einigen Deutschen geholfen.
Einmal hatte eine Bäuerin einen Hahn getötet. Es erschienen drei Deutsche und sie sahen ihn. Sie winkten ihr zu, sie solle ihn braten. Die Frau briet ihn ihnen, sie aßen ihn und sie dankten ihr. Sie sagten immer wieder: „Danke Mama“. Die alte Frau hatte ihnen gerne den Hahn gegeben. Jene Deutschen waren nett. Einer sagte zu ihr: „Morgen kommen wir nochmal hierher.“ Er kehrte am nächsten Tag mit einem Säckchen Tabak, Salz und Keksen zurück.
Einmal, nachdem er so sehr darauf bestanden hatte, begleiteten die Bergbewohner einen deutschen Soldaten bis hinunter ins Tal und zeigten ihm die Straße, die in Richtung der Stadt führte, die er auf der anderen Seite des Apennins erreichen wollte, und er hörte nicht auf, seinen Begleitern zu danken.
Dieses Mal jedoch war es anders: Weil es sich um Waffen handelte, waren die Partisanen gewarnt worden, die aus den Verstecken hervorkamen. Also wurden die Waffen versteckt, und sie beschlossen den Mannschaftswagen zu vergraben, aus Angst, dass die Deutschen ihn bei einer Razzia fanden. Die Männer des Dorfes wurden gezwungen ein Loch in der Wiese eines verlassenen Landhauses zu graben und ihn einzugraben. Die Frauen rechten mit Besen das Gras auf, das von den Reifen zerdrückt worden war. Am nächsten Tag befahlen die Partisanen, dass er wieder ausgegraben werden solle: Männer, junge Männer und Jungen wurden gezwungen zu helfen, während sie zuschauten. Dann zogen sich die Partisanen als Faschisten an und fuhren in die Stadt, wo sie in Läden gingen, um sich Mehl, Reis, Dosentomaten und sogar Strohbesen geben zu lassen. Das Mehl wog einige Zentner. Sie teilten es auf und versteckten ein bisschen in jedem Haus und den Rest in einer Baracke. Sie kehrten auch mit 50.000 Lire zurück: und diese teilten sie auf, und weil sie in dieser schwierigen Lage zu Zehnt waren, gehörten jedem 5.000 Lire.
Die unglaublichste Tatsache war, dass der deutsche Soldat, der zu den Partisanen geschickt worden war und der mehr als eine Woche bei ihnen blieb und ihre Verstecke und ihre Stellungen sah, fliehen konnte. Er war geschickt worden, um sie auszuspionieren.
Natürlich kam nach kurzer Zeit eine Razzia, es war Ende April des Jahres 1944, und es war die letzte, jene, die ganz sicher die Partisanen aus dem Gebiet wegjagte. Die Deutschen wussten alles, sogar wo die Partisanen das Mehl versteckt hatten. Sie kamen, um es zu holen und sie brachten es weg. Auch die Faschisten, wie auch die Partisanen muteten sie das den armen Leuten des Dorfes zu, ließen sich zu essen geben und, wenn sie etwas fanden, stahlen sie es.
Eine Familie hatte fünf oder sechs Hühner. Die Faschisten kamen, erschossen sie und brachten sie weg. Es wurden alle Häuser und Landgüter durchsucht, es wurden alle Männer und Frauen befragt. Und tatsächlich waren einige Frauen im Haus, weil sie Schüsse gehört und gedacht hatten, dass ihre Männer erschossen worden wären. Sie weinten und beteten den Rosenkranz.
Das Gros der Soldaten nämlich, darunter etwa 200 der Militärpolizei, Carabinieri, eine Polizeieinheit und deutsche Soldaten durchkämmte eine sehr große Fläche und hatte geschossen, im Glauben, sie hätten einige Partisanen gesichtet, die sich in einer Ansammlung von Hecken versteckt hätten.
Aber dem war nicht so: keine Partisanen, keine Aufständischen, nicht einmal ein Schatten davon. In der Zwischenzeit stürmten Kämpfer der gleichen Brigade einen Konvoi von zwölf nazifaschistischen Lastwägen, blockierten ihn an einem Pass im Apennin und umzingelten ihn. Sie nahmen viele Gefangene und ergriffen Besitz von Lebensmitteln und modernsten Waffen.
Die Schmach war riesig: der Sekretär befahl an diesem Punkt Margherita, ihm den Partisanen ihres Herzens auszuliefern; sonst würde er sie beide an die SS ausliefern, die sie erschießen oder zumindest deportieren würden. Es blieb ihr, das Herz klopfte ihr bis zum Hals, nichts Anderes übrig als dem Befehl Folge zu leisten: sie verabredete sich zum letzten Mal mit Luciano für den 30. April 1944 auf der gleichen Terrasse am See, wo sie sich das erste Mal getroffen hatten.
Das Auto, das auf ihn wartete, war da, aber Margherita nicht: als Luciano auftauchte, war es zu spät, er wurde verhaftet und ins Gefängnis der toskanischen Stadt gebracht.
Der Betrug von Margherita war offensichtlich, aber Luciano konnte auch denken, dass sie gezwungen worden war, so zu handeln, und da er von ihrer guten Gesinnung überzeugt war, hörte er nicht auf, sie zu lieben.
Er hielt durch und überlebte körperliche und seelische Qualen, er hielt sich treu an seinen Schwur, verriet die Kameraden nicht und enthüllte keine Namen, Orte und Zahlen.
Im Vorzimmer des Todes wollte er an Margherita einen tragischen und leidenschaftlichen Brief schreiben, ein dramatisches und sublimes Dokument von einer LIEBE „mit Großbuchstaben“, die nicht aufhörte bei irgendwelchen Widrigkeiten, ohne Grenzen und Bedingungen, rein, exklusiv, allumfassend.
Er bat seine Peiniger, den Brief dem Mädchen zu überbringen.
Er suchte geistliche Hilfe bei einem Priester und ihm wurde jener toskanischer Kaplan geschickt, den er während des Militärdienstes in Padua kennengelernt hatte, als er Leutnant auf Zeit bei der italienischen Luftwaffe bis zum 8. September 1943 war.
Don Umberto bat Luciano, der jetzt sichtbar niedergeschlagen und nicht wiederzuerkennen war, um ein Glaubensbekenntnis Gott und ihm gegenüber: er kannte einen Graf, einen republikanischen Bürgermeister, der vielen Juden geholfen hatte und auch einige Partisanen gerettet hatte, indem er falsche Entlassungs- oder Gefängnisentlassungspapiere, die der deutsche Kommandant des Standorts unterschrieben hatte, einbrachte. Diese wurden von einem deutschen Offizier, der im Begriff war zu desertieren, ausgestellt, aber er wollte auch Edelmetall oder Geld dafür. Der Graf kümmerte sich auf seine Weise darum.
Kaum kam der nächste Tag, radebrechten zwei perfekte SS in holprigem Italienisch und zeigten dem Gefängnisdirektor ein Dokument, das die sofortige Verlegung des oben genannten Gefangenen in ein anderes Gefängnis anordnete, und Luciano konnte, nachdem er ins Auto gestiegen war und ohne aufzufallen weit vom Gefängnis weggebracht wurde, seine Kameraden, die ihn wiederbekommen hatten, in die Arme schließen.
Wie in einer Rückschau kamen Margherita die Erinnerungen und Bilder dieser tragischen Vergangenheit in den Sinn, während sie alleine und gequält von ihren Gefühlen am 1. Dezember 1945 aus dem Konzentrationslager von Casellina herauskam.
Während sie sich auf den Weg zu ihrem Haus in Florenz machte, oder zu jenem, was es noch war nach den Bombenangriffen und den Kriegshandlungen, kramte sie ein bisschen in ihrem Rucksack herum, den sie nie zurückgelassen hatte.
In der Innentasche war noch unversehrt und eifersüchtig gehütet der Brief von Luciano.
Margherita hatte von seiner Flucht erfahren, bevor er im Sommer 1944 in Richtung Norden abreiste, um den Faschisten auf der Flucht vor dem Ankommen der alliierten Truppen in der toskanischen Stadt zu folgen.

Der Autor G. Bronzi schreibt (schon in „Specchi sul lago 1944)

„1. Dezember 1943: in Mittelitalien treffen sich auf einer wunderschönen Terrasse, die auf den See hinausgeht, Margherita und Luciano, ein sehr schöne, aufregende, junge und erbarmungslose Spionin der Nazifaschisten und ein ahnungsloser, leidenschaftlicher und mutiger Partisan. Es entsteht ein doppeldeutiges und schwieriges Verhältnis aus Liebe und Hass und aus Liebe und Tod.“

So berichtet eine Zeitung von 1945, die kurze Zeit Bestand hatte und ein vergängliches Geschöpf der Propaganda des Nationalen Befreiungskomitees war, auf wenigen vergilbten und durch das Hochwasser von 1966 von Florenz, das auch die Nationalbibliothek verwüstete, in Teilen irreparabel beschädigten Seiten, und sprach mit Rache und offener Verachtung davon, um damit zu enden, dass man auch den letzten Faschisten und Kollaborateur aufstöbern und schnellen und umfassenden Prozess machen müsse, sonst wäre es nicht möglich, das neue demokratische und revolutionäre Italien entstehen zu lassen.
Das Lesen des Artikels brachte mich dazu, das Wissen zu vertiefen und Recherchen anzustellen. Florenz, Reggio Emilia, Genua, Dokumente, Briefe, Verwandte, Freunde, Widerständler, und am Ende in einem Hospiz (es war im Jahr 2000) war eine 77-jährige Frau, noch schön auf ihre Art, noch schwarzhaarig und mit stolzem Blick: sie war der Aquila altera, den ich suchte. Ich merkte sofort, dass ich eine außergewöhnliche Person vor mir hatte. Margherita (das ist nicht ihr richtiger Name) war bereit, ihre ganze Geschichte zu erzählen, vorausgesetzt, ich machte einen Roman daraus und wahrte aber gleichzeitig die Privatsphäre von ihr und den Personen, die in ihr Leben getreten waren.
Sie war eine kulturell gebildete Frau mit einer komplexen Persönlichkeit: man kann ihre Begebenheit nicht vereinfachen und auf die schwarz-weiße Bestrafung reduzieren, die von dieser Tageszeitung geäußert wird. Sie bat mich keine Beurteilungen vorzunehmen und mich an die Fakten zu halten, sei es nur in Form eines Romans und daher „unwahrscheinlich“ für das, was die Orte betraf und den Rahmen der Handlung selbst.
Ihre Geschichte mit dem Partisanen Luciano (das ist der Name, den ich ihm gegeben habe) ist nur eine Rückblende auf eine Abfolge von tragischen und bedeutungsvollen Ereignissen, die vom 25. April 1945 bis zum 1. Dezember desselben Jahres stattfanden und auch jene Begebenheit in das richtige Licht rückten.
Ich bin mir bewusst, dass ich nicht nur einen historischen Roman schreiben muss, sondern auch einen psychologischen, weil dieser Aspekt die Komplexität, den Tiefgang und den Reiz dieser Persönlichkeit ausmacht.
In Erscheinung tritt also auch die Person Elvira, die ihre sehr gute Freundin, ihre Kameradin und Helferin bei der RSI wie sie selbst war, und beide waren besonderen Diensten unterstellt.
Der Partisan Luciano schließt dann den Kreis.
Alle Daten und gesammelten Nachrichten führen mich dann zu ihm: Im Gegensatz zur immer alleine lebenden Margherita ist Luciano Großvater mit vielen Enkeln und drei Kindern. Er lebt jetzt als Rentner in den toskanischen Hügeln. Dem Tod entronnen durch den Ausbruch aus dem Gefängnis nach der Denunzierung von Margherita, hörte er nie auf, sie trotz des Verrats zu lieben und schrieb ihr einen tragischen und leidenschaftlichen Brief, ein dramatisches und sublimes Dokument einer LIEBE (mit Großbuchstaben), die nicht vor irgendeinem Hindernis haltmachte, ohne Grenzen und Bedingungen, rein, exklusiv, allumfassend, er war der wirklich Einfache, Naive, Triebhafte, der eigentliche Held des Widerstandes
Und während ich ihm zuhöre, als er seine Version der Handlung erzählt, bemerke ich, dass er trotz seiner jetzt schon 80 Jahre die jugendlichen Wesenszüge, die zusammen mit einem ausgezeichneten körperlichen Zustand die unsichere und schwer einschätzbare Sexualität von Margherita so sehr beeindruckten, nicht verloren hat.
Wenn für Margherita Luciano zu einer wenn auch immer wiederkehrenden Rückblende gehörte, war es für Luciano anders: trotz allem war sie auch weiterhin die Herrin seiner Gedanken und seines Herzens und sie verließ beides nicht einen Moment seit jenem Tag im Frühling 1944, als sie sich das letzte Mal sahen, unter vielen „Spiegelbildern“.
Während Luciano erzählt, hört seine Ehefrau ihm und mir zu. Sie kennt die Geschichte mit Margherita schon ewig, sie war nie eifersüchtig auf irgendeine Art und Weise auf dieses Phantom (vielleicht eine Wirklichkeit – dachte sie), das schon immer die Gedanken ihres Mannes beherrschte: für sie ist – oder besser – war Margherita eine Rivalin, die sie immer hätte kennenlernen wollen; die Ehefrau ist viel jünger als ihr Mann, einem Ex-Unternehmer, der immer von den Frauen, Sekretärinnen und Freundinnen bewundert wurde; für sie war Luciano eine Eroberung, trotz der zwanzig Jahre Altersunterschied, aber er war eine Eroberung von einem Gebiet, das es immer zu verteidigen galt, und sie hat immer brav akzeptiert, ohne eine Szene zu machen, dass die manchmal wirklichen und nicht immer virtuellen Bereiche, die durch ihre Rivalinnen besetzt waren, auf eine gewisse Art bekämpft und verringert wurden.
Deshalb ist sie bereit, auch Margherita kennenzulernen: sie scheint es auch dieses Mal ernst zu meinen, aber ich verstehe, dass sie jetzt nur neugierig ist und denkt, sie kann ihren Luciano damit belohnen, dass sie sich dieses Mal wirklich eifersüchtig zeigt. Und er benimmt sich ein bisschen wie ein Auerhahn, wie alle Männer … Ich lobe die Intelligenz dieser Frau: sie heißt Anna. Mir kommt Dante in den Sinn: „Donne ch’avete intelletto d’amore“.
Luciano lädt mich zum Mittagessen ein, ich lerne eine Tochter kennen, die gekommen ist, um Luciano und Anna zu besuchen und die den Vater vergöttert, für sie ist er ein Held, ein außergewöhnlicher Mann, ein Supertyp, um einen Ausdruck aus dem Sport zu verwenden, ein ewiger Gewinner. Sie fürchtet, dass ich ein Opfer aus ihm mache, dass ich ihn auf die Gestalt reduziere, die ihrer Meinung nach vor allem daher kommt, dass er es geschafft hat, die erreichten Ziele als Unternehmer zu verwirklichen. Seit sie klein war, haben sie sie als anwesendes Maskottchen bei allen Feiern und öffentlichen Auftritten, an denen ihr Vater beteiligt war, gesehen.
Diese wehmütige Erinnerung gefällt ihr nicht mehr so sehr und sie sieht in diesem Spiel, dem sie nicht zugeneigt ist, eine kopflastige und fast „perverse“ Mittäterschaft ihrer Mutter. Ich bemerke, dass sie in den Belangen ihres Vaters besonders fürsorglich ist. Von ihm sagt sie, dass sie seit ihrer frühesten Kindheit in ihn verliebt war: sie ist auch eine Rivalin, wie es normalerweise zwischen Mutter und Tochter der Fall ist.
Aber die Geschichte wurzelt tief in der persönlichen und gemeinschaftlichen Erinnerung, dass sich Margherita und Luciano erneut wiedergetroffen haben beim Symposium Assomeet, abgehalten in Marotta di Mondolfo (in der Provinz Pesaro) an einem sehr heißen Julitag des Jahres 2001. Das Treffen fand im Arcobaleno-Saal statt, der freundlicherweise von der Gemeinde Mondolfo zur Verfügung gestellt wurde. Anwesend waren mehr als 70 Personen, die älter als 70 Jahre und auch älter als 80 Jahre waren und aus ehemaligen gegnerischen Fronten kamen. Er, Luciano, schien noch der leidenschaftliche junge Mann von einst zu sein, sie, Margherita, war nur auf den ersten Blick ein bisschen kühl und distanziert, auch wenn beide auf ihre Art nett waren und auf ihren eigenen Stil beschränkt.
Aber während sie ihm mit erhobenem Kopf zuhörte, schaute sie ihn mit jenen weit geöffneten und nicht sehr milden Augen an, die ihn unwiderstehlich anzogen; aus jenen Augen von Margherita traten nicht übliche Tränen hervor, und zur großen Überraschung von Luciano und von allen anderen, mich eingeschlossen, zog sie jenen Brief heraus, der ihr mittels ihrer Peiniger des Gefängnisses überbracht worden war und den Margherita stets eifersüchtig gehütet hat. Man hat sich sofort danach von einem entschiedeneren Plan gelöst, gefolgt von den Worten: „Du musst wissen, dass, gegen jede gegenteilige oder offensichtliche Wirklichkeit, ich dich immer geliebt habe seit dem ersten Moment. An jenem Tag im April am See hätte ich dir sagen wollen: „Fliehe. Ich bin nicht die, für die du mich hältst.“ Ich hatte keine Angst vor deiner Reaktion, aber ich hatte nicht den Mut, mich mit den Folgen meines Ungehorsams auseinanderzusetzen, mit denen ich jeden Moment meines Tages und meiner Tätigkeiten plante, nicht nur aus Furcht, mein Leben zu verlieren, sondern auch weil ich mich nicht in der Lage fühlte, nach einem Leben von Entbehrungen den Privilegien zu entsagen, die mir meine Position bot und die dennoch bald vorbeigewesen wären. Alles, was wir auf jenem See gemacht und gesagt haben, spiegelte sich in vielen Bildern wieder.
„Mit dem Eis in meinem Herzen bezahle ich für meine Schwäche.“
Luciano erinnerte sie daran, dass er sie noch mit höchster Diskretion gesucht hatte und sie während der letzen Haft in Casellina wiedergefunden hatte.
„Ich war gekommen, um dich zu besuchen, aber es wurde mir nicht gestattet, dich zu treffen: ich ließ Geschenke zurück.“
„Ich wurde davon informiert und erhielt deine Geschenke: ich dachte an dich und mir liefen Schauer über den Rücken.“
Ein gutes, langes und auch sehr befriedigendes Abendessen am Meeresufer im Restaurant „California“ in Marotta beendete den Tag, während auf dem Meer ein Feuerwerk wegen eines Festes abgebrannt wurde, und wir schauten alle zu, sie schauten zu und sie schauten sich an, während die Ehefrau von Luciano, amüsiert und auf ihre Art zufrieden, mir neugierig zulächelte.
Dann kam sie zu mir und sagte leise und schelmisch und mit Ironie in einem Moment, als die beiden uns nicht zuhörten: „Zumindest jetzt ist das Phantom ein bisschen von der Wirklichkeit abgerückt, die Jahre verstecken sich nicht.“
Ich antwortete ihr mit einem Lächeln als Zeichen, dass ich sie verstanden hätte, aber ich lebte in einer besonderen Stimmung, fast wie die eines Tempelpriesters oder eines Zauberers, der die Schmeichelei liebt, und eines Forschers, der nach extremen und nicht zu alltäglichen Geschichten sucht…

Ein kürzlich geschriebener Brief von Margherita anlässlich der Veröffentlichung von „Specchi sul lago 1944“ (1. Ausgabe 2009)

Sehr geehrter Herr Professor Bronzi,

ich habe die Entwürfe des Romans gelesen, die Sie mir geschickt haben, und ich muss sagen, dass sie sehr gut meine Persönlichkeit aufgezeigt haben. Dazu gratuliere ich Ihnen. Was das dritte Kapitel betrifft, als Sie von der Erschießung der Gruppe der Helferinnen und der Soldaten schreiben, geben Sie genau die Erzählung der Fakten der Kommandantin des weiblichen Hilfsservices Piera Gatteschi Fondelli wieder, so wie sie in ihren Memoiren ausgeführt werden, auch wenn in der Umsetzung von Zeit und Ort die Daten und Orte verändert wurden, genauso wie meine Bitte gelautet hatte. Wir waren Zeugen davon.
Was das Foto des Modells betrifft, das Sie für den Titel ausgewählt haben, muss ich sagen, dass sie vieles von mir hat und dass mir auch dieser moderne Look gefällt – was mich auf der Höhe der Zeit sein lässt!?!
In der Nachkriegszeit, sobald die Rahmenbedingungen mir das erlaubten, nahm ich das Universitätsstudium der Literaturwissenschaften wieder auf und erwarb das Diplom mit einer Arbeit über die Beteiligung der Frauen im Bürgerkrieg 1943 – 1945, auf der einen und auf der anderen Seite.
Wir waren in den Fünfziger und Sechziger Jahren und es war nicht leicht mit allen über solche Dinge zu sprechen; es gab vor allem das Risiko, nicht verstanden zu werden.
Ich machte mein Outing (so sagt man das wohl heute) mit höchster Ungezwungenheit, wie auch Sie das in ihrem Büchlein „Il cuore delle donne“ (sehr gut! ein perfekter Stil in jenem „Bruchteil des Herzens und der Erinnerung“) gemacht haben, aber die anderen, Männer und Frauen, machten nur Politik und waren nicht authentisch und aufrichtig, nicht einmal zu sich selbst.
Das Thema meiner Überlegung war und blieb für lange Zeit folgendes: die Frauen, die großen Vergessenen der Geschichte, die Faschistinnen und Partisaninnen, die Mitarbeiterinnen der einen oder anderen blieben machtlos, die ewigen Verliererinnen … und sie kehrten an die Kochtöpfe zurück.
Darüber hinaus versuchte man zu untertreiben, Verdienste und Versäumnisse zu schmälern. Sie wissen, dass ich nicht meine klar bestimmte Verantwortung und Schuld verleugne und ich will keine mildernden Umstände oder Nachlässe oder Verständnis, nur weil ich eine Frau bin.
Fast wäre es nicht nur unwahrscheinlich, sondern fast unmöglich gewesen, dass eine Frau wirklich und mit voller Verantwortung eine Spionin gewesen sein konnte.
Und als Beweis dafür hier einige seltsame Paradoxa, die die Vorurteile mit sich brachten: ein Rechtsanwalt, der mich in der rechtlichen Untersuchung, die mit den Sanktionen für die faschistischen Vergehen zu tun hatten (die wirksam wurden bei meiner Rückkehr in mein Haus, weil ich es besetzt von Evakuierten vorfand, die jeden Vorwand benutzten, um es mir nicht zurückzugeben), verteidigte, erzählte mir, dass er die Rechtsakten von neunzig römischen, sofort nach der Befreiung der Kollaboration bezichtigten Frauen studiert hatte.
Es handelte sich nur um Untersuchungsverfahren, weil die Amnestie, unterzeichnet am 22. Juni 1946 vom italienischen Justizminister Palmiro Togliatti, verhinderte, dass auch die Personen nach der Eröffnung des Hauptverfahrens einem Prozess unterzogen und eventuell verurteilt worden wären.
Was hat sich daraus ergeben? Das fast einstimmige Urteil von Carabinieri, Rechtsanwälten und Richtern war im Wesentlichen, dass die Frauen zu eingeschränkte Fähigkeiten hatten, um aktiv und bei vollem Bewusstsein als Spioninnen zu arbeiten.
Einige Frauen waren tatsächlich Spioninnen, während andere unschuldig waren. Aber die Amnestie verhinderte, dass die Wahrheit herausgefunden wurde, und alle wurden in das gleiche öffentliche Verfahren einbezogen, derart, dass manchmal die Leute versuchten, selbst kurzen Prozess zu machen, aber glücklicherweise widersetzten sich in Rom die Freiheitskomitees der Stadtteile den Lynchmorden.
Im Großen und Ganzen bekräftigten die neuen „demokratischen“ Richter und die Ordnungskräfte, dass, zumindest für die Frauen, sich wenig geändert habe: sie wären nach wie vor Bürgerinnen zweiter Klasse, ewige minderjährige Nichtskönner, sogar bis hin zur Bösartigkeit; beseelt nur vom Wunsch Ehefrau, Mutter und Hausfrau zu sein.
Im Vergleich zum Faschismus hatte sich im Grunde genommen nichts geändert, vielmehr war ein rückläufiger Prozess zu erkennen, wenn man an die Nachricht von uns denkt betreffend des weiblichen Hilfsservices, der Soldatinnen.
Als Oberschullehrerin versuchte ich mehrmals, eine Betrachtung des Themas und anderer damit verbundenen Themen mit meinen Schülern anzufangen, aber auch die Siebziger Jahre waren dafür noch nicht reif. Die Geschichte des Faschismus war noch ein Tabu! Die wirkliche weibliche Emanzipation war eine Farce.
Mit den besten Wünschen
Margherita

Traduzione dall’italiano al tedesco di Gianni Casoni e Christine Konstantinidis.

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