domenica 17 aprile 2011

Die Ehre und die Passion (III.Teil)

Kapitel 5:
Elsa und Sandra erneut beieinander, aber Rivalen bei Damiano


Elsa lief Damiano entgegen und umarmte ihn leidenschaftlich: in den Augen von Damiano war Überraschung und Zärtlichkeit und eine nachdenkliche und reservierte Haltung, die Elsa nur zerstreut vorkam.
Sie waren zwei sehr unterschiedliche Menschen, vom Alter her (im Jahr 1945 war Elsa 19 Jahre alt, während Damiano schon 37 war) und von unterschiedlichen Zielsetzungen her, die trotzdem dazu bestimmt waren, sich in irgendeiner Art zu verbinden. Diese spannende Unterschiedlichkeit schürte die Verliebtheit von Elsa, die jedenfalls den Sinn ihres eigentlichen Schicksals suchte.
Nachdem das politische Ideal, das ihr einen Sinn der Zugehörigkeit gab, gefallen war, suchte sie in Damiano jene Verschiedenheit, die sie anzog, weil sie ihr neue Lebenshorizonte eröffnete, aber gleichzeitig erwachten in dieser körperlichen Verbundenheit die Ängste und die Mechanismen der Verteidigung.
Sie verabschiedete sich von den Nonnen, ohne Damiano zu fragen, wohin und warum sie gingen: er wusste es und es war nicht wichtig für sie zu wissen, was sie tun müsse, das Wichtigste war vielmehr, es mit ihm zu tun. Die Oberin schickte einen letzten Gruß: „Komm uns besuchen, Damiano!“. Vielmehr: „Kommt zurück!“, korrigierte man sich.
Damiano hegte stumme Enttäuschung: er war nämlich zurückgekommen, um ein gegebenes Versprechen einzuhalten und um dem Mädchen eine Möglichkeit zu geben zu leben und sich zu befreien. Nichts Anderes.
„Du wirst mit mir nach Parma kommen, wo wir ein Auffanglager für die Evakuierten und ein Durchgangslager für die Leute, die aus Norditalien und aus dem restlichen Europa kommen, einrichten. Zusammen mit mir hast du einen Passierschein ohne Bedingungen als meine Sekretärin und Mitarbeiterin. Du wirst dort die Möglichkeit haben, viele Leute kennenzulernen, mit denen du dich auseinandersetzen und Gedanken austauschen kannst.“
Es war eine lange Reise voller Probleme und Gefahren: Es gab keinerlei Koordination zwischen den vielen Bewaffneten oder Partisanendivisionen (gemäßigte Katholiken, Recht und Freiheit, Aktivisten, Getreue der Monarchie und des Liberalismus, Rote des Garibaldi), für die jede Absperrung (und es gab sehr viele davon) eine Prüfung war und es gab ein potentielles persönliches Risiko, genährt durch gegenseitiges Misstrauen.
Man sprach tatsächlich von kurzfristig einberufenen Partisanenzellen ohne Geschichte und bis zum Vortag der Befreiung unbekannt, die in Wirklichkeit unerbittliche Faschisten waren, die sich als Partisanen verkleidet hatten: im Grunde genommen reichte es, eine Waffe in die Hand zu nehmen und sich ein rotes Halstuch umzubinden (das Rote erschreckte am meisten) und ohne Skrupel meuchlerisch eine letzte Rache zu versuchen.
Sie kamen am Ende in die Nähe eines Bahnhofes am Stadtrand, wo ein alliierten übergreifendes Lager mit einem Organisierungsbereich der katholischen Partisanen aufgebaut worden war: alle kannten Damiano und grüßten ihn mit Hochachtung. „Damiano, wo hast du dieses burschikose Mädchen kennengelernt? (sich lustig machend über die Haare, die noch nicht richtig gewachsen waren).
Er ging unbeirrt seinen Weg, wie es seine Art war, diskret, ernst, verantwortungsvoll und diszipliniert, mit gesunden moralischen und religiösen Prinzipien: „Komm Elsa, wir gehen in mein Büro.“
Es handelte sich um eine Holzbaracke und das Büro befand sich im Erdgeschoss am Ende eines langen Korridors. Sie liefen im Gleichschritt und Elsa war stolz, dass sie an der Seite einer so bedeutenden Person sein durfte.
Aber in dem Moment, als sie gerade ins Zimmer eintraten, öffnete sich plötzlich die Tür und ein schönes blondes Mädchen mit Karten in der Hand kam heraus, der Damiano seinen Schützling vorstellte: „Sandra, das ist Elsa, sie ist eine Evakuierte und braucht eine Unterkunft im Lager.“ „Elsa, das ist Sandra, mein anderes Ich.“
Die zwei Ex-Freundinnen und Ex-Schulkameradinnen erkannten sich wieder, aber in jenem Moment behielt jede der beiden das Geheimnis für sich, auch wenn die Aufregung und die Überraschung ihnen den Atem raubte, während ihre Augen sperrangelweit aufgerissen waren.
Sandra fragte Damiano zuerst, was denn die Umstände gewesen wären, unter denen sie sich getroffen hätten, und sie fragte das mit einer solchen Arroganz, dass Damiano ihr ziemlich kühl antwortete, dass er ihr die notwendige Antwort schon gegeben hätte. Sie war ein evakuiertes Mädchen in Schwierigkeiten und brauchte Hilfe. Es gäbe nichts Anderes von Wichtigkeit, was sie interessieren könnte.
Es war höchst offensichtlich, dass Sandra ein Auge auf Damiano geworfen hatte, und wenn man es genau betrachtete, war da ein starker Ausbruch von Eifersucht. „Vielleicht weißt du nicht, dass sie eine republikanische Faschistin ist. Wir waren zusammen in der Schule und im Jahr 1943 war sie so stur und wollte zusammen mit den toskanischen Faschisten, die die Region verließen, in Richtung Norden aufbrechen.“
„Das weiß ich natürlich,“ antwortete Damiano, „und du wirst das Geheimnis für dich behalten: es ist mehr ein Befehl als mein Wunsch, dass du absolut nicht widersprichst.“ Er schaute sie eindringlich an und … „Ich weiß, dass du das nicht machen wirst!“. Und dann gewandt an Elsa: „Ihr kennt euch?“ „Ja“, antwortete Elsa und fügte nichts Anderes hinzu.



6. Kapitel:
Margherita, Elvira: die Gefangenschaft

Die aus Bologna kommende Karawane erreichte Pistoia und fuhr dann weiter nach Lucca und nach Pisa. Nachdem sie an Pisa in unmittelbarer Nähe zum Meer vorbeigefahren waren, erreichten sie das Konzentrationslager von Coltano, umgeben von Strandkiefern, wo man sich jedoch weigerte, sie aufzunehmen, weil das Lager schon mit Gefangenen überfüllt war. Und hier, in Coltano, sagten die Mädchen schweren Herzens Auf Wiedersehen zu ihren männlichen Kameraden, die sie während der Reise begleitet hatten, und die Kolonne kehrte um in Richtung Florenz.
Als sie sich der toskanischen Hauptstadt näherten, sah Margherita in der Ferne die Stadt, wo sie gewohnt hatte und wo sie gerne für immer gelebt hätte: Die Abberufung aus Sizilien hatte einen kleinen Platz in ihrem Herzen, einzig und allein, weil sie das Schicksal des Vaters, der freiwillig nach Russland gegangen war und der vielleicht zurückkehren konnte, nicht kannte.
Elvira war schon sehr betrübt, nur einige Kilometer vor ihrem Heimatdorf angekommen zu sein, das sie in der Ferne auch erahnen konnte, als sie in der Nähe von Bologna waren, aber, weil sie jetzt in Gefangenschaft war, hatte sie nichts daran ändern können und konnte nicht zu ihren Eltern gehen und sie umarmen. Von ihnen konnte sie nichts mehr wissen.
Die Reise endete gegen 8 Uhr abends in Scandicci, an der Kaserne „Lupi di Toscana“, die in ein Konzentrationslager genannt U.S.P.W.E.334 umgewandelt worden war. Das Lager von Scandicci setzte sich aus mehreren Lagern und Drahtzäunen zusammen, und auf den Wachtürmen drohten die Maschinengewehre, aber die Gefangenen konnten sich in Baracken aus Holz oder aus Metall niederlassen. Dort sprach man einen Haufen Sprachen, es waren Frauen unterschiedlichster Nationalitäten und aller Parteien. Es waren etwa 300 Italienerinnen, darunter Helferinnen und Zivilistinnen, die in irgendeiner Art mit dem Regime in Verbindung gebracht worden waren, dann auch noch die Deutschen, die sehr zahlreich vertreten waren, vielleicht waren es doppelt so viele.
Aber im Lager waren auch einige Partisaninnen eingesperrt („was hatten die denn ausgeheckt?“), die eine ansatzweise bessere Behandlung genossen als die Faschistinnen. Letztere jedoch hatten nicht mit dem Leben bezahlt, aber mit dem Konzentrationslager, als Folge der Niederlage, konnten sie sich sicherlich glücklich schätzen gegenüber vieler Anderer, die draußen von den Partisanen ermordet worden waren.
Das Hauptproblem war der Mangel an Nahrungsmitteln und für jede Kleinigkeit musste man fünf oder sechs Mal anstehen, man schlief in dreistöckigen Stockbetten, man aß die Suppe mit Zucker und trank bitteren Caffelatte, aber manchmal gab es sogar schöne Stücke Weißbrot, auch wenn normalerweise die Brotrationen immer bis auf ein Mindestmaß reduziert waren. Eine Gefangene hinter dem Stacheldraht zu sein war zu Anfang eine völlig neue und oft angsteinflößende und demütigende Erfahrung für die Mädchen gewesen: dann wurde das Leben einer „prisoner of war“ (Kriegsgefangenen) am Ende immer normaler … und offenbarte einige interessante Aspekte, an die sie sich vielleicht, wenn sie alt wären, mit jener gewissen typischen Nostalgie erinnern würden, die der Lack der Zeit ist und die Erinnerungen verändert.
Tag für Tag zeigten die Amerikaner sich persönlich immer großzügiger ihnen gegenüber, indem sie für Schächtelchen und Zigaretten sorgten: letztere stellten manchmal wertvolle Tauschware gegen Lebensmittel dar. Die Frauen waren zahlreich vertreten und es fehlte nicht an Klatsch und Tratsch, an feierlichen Streitigkeiten und an regelmäßigen Beschimpfungen der Wachposten bei jeder Gelegenheit, auch sehr heftige, wenn es mal keine Bestrafungen gab.
Am 24. Juni 1945 war ein wirklich besonderer Tag: Elvira feierte ihren Geburtstag hinter den Drahtzäunen, aber mit viel Fröhlichkeit, Tanz und Musikkapelle auf dem großen Platz. An jenem Tag wurden auch Orangen und Frittelle verteilt, und am Abend fand eine große Varieté-Veranstaltung statt, die von den deutschen Kameradinnen ausgerichtet wurde.
Am Nachmittag wollte Elvira auch ein Sonnenbad nehmen, wie alle anderen, im halb-adamitischem Badeanzug, und sie machte das so, dass jemand Notiz von ihr nehmen konnte, ach was, mehr als einer, und am Abend um 7 Uhr, während der Messe im Lager, die von einem Militärkaplan, der alle Kriegskampagnen seit 1940 bis zur Unterstützung der RSI gemacht hatte, abgehalten wurde, wurde die „preghiera del legionario“ (Bittgesang des Legionärs) mit einer großen allgemeinen Ergriffenheit gesungen.
Die Verhöre der sogenannten „Militärs“ hatten begonnen und Margherita fürchtete, dass ihnen gegenüber negative Kenntnisse erworben worden waren, auch wenn das sehr unwahrscheinlich war.
Als nächstes ist dran …
Das Verhör war sehr einfach und kurz angebunden: alles in Ordnung. Das gleiche galt für Elvira.
„Und denk nur“, sagten sie zueinander, „wir haben es geschafft!“
„Aber dann sind diese Amerikaner noch nicht so böse“, fügte Elvira hinzu, „und einige sind wirklich sympathisch.“ Der amerikanische Hauptmann jedoch hatte nur Augen für sie, und das war für Elvira ganz normal, weil alle sich in sie verliebten und, wie man gewöhnlich sagt, „sie versuchten es“. Aber sie bemerkte schelmisch (und einerseits war ihr die Sache peinlich, andererseits fühlte sie sich geschmeichelt davon), dass das Gefühl bei diesem Offiziellen Margherita ein bisschen störte, und daher fand Elvira Geschmack daran, ein bisschen mit ihrer Irritation zu spielen.
Am Nachmittag des 27. Juli gab es ein schweres Gefecht zwischen den Faschistinnen und den Partisaninnen, das jedoch ohne Blutvergießen gelöst wurde: „casus belli“ war eine rote Fahne, die eine Partisanin genäht hatte und in provokanter Art und Weise zur Schau stellte. Es folgte ein gewaltsamer Kampf in einer Stube und eine Belagerung nach allen Regeln der Kunst einer Partisanin, die sie auf der dritten Etage eines Stockbettes festgehalten hatten, und sie wurde nur befreit durch das Eingreifen der Wachen. Als Bestrafung für alle gab es drei Tage nichts zu essen. Sie schafften es nur zu „überleben“, weil jede ihrer deutschen Kameradinnen, die das Lager mit ihnen im anderen Flügel teilten, während dieser drei Tage auf die Hälfte ihrer eigenen Ration verzichtete.
Sie hatten während der gleichen Zeit auch Stubenarrest, aber weil eine Gruppe anfing zu singen, ließ man sie hinausgehen und sie etwa zwei Stunden lang unter Aufsicht unter der Julisonne strammstehen, weil man sehen wollte, ob jene „Mussolinitreuen“ in der Lage wären das zu ertragen. Sie ertrugen es, aber es war hart.
Die Meinung vieler war, dass die amerikanischen Soldaten ihnen nicht die Tatsache verziehen, dass jene es nicht schafften, sie zu bezwingen, indem sie ihnen die Würde nahmen. Im Großen und Ganzen war das eine Frage der Ehre.
Sie glauben wirklich, dass es für sie nicht tolerierbar war, dass eine Handvoll von Frauen sich nicht bezwingen ließ und nicht um Gnade winselte, im Gegenteil: Sie bekräftigten nochmals die Überzeugung ihrer getroffenen Entscheidung auch gegenüber der Drohung einer Deportation in die afrikanischen Baumwolllager.
Sie wollten sie weinen und flehen sehen, aber die Befriedigung hätten sie ihnen niemals gegeben. Das auch weil – so dachten sie – sie von Seiten einiger alliierten Offiziere und Unteroffiziere einer aus der Luft gegriffenen moralischen Tortur unterzogen wurden, die darin bestand, keine Gelegenheit verstreichen zu lassen, ihre italienische Seite zu beleidigen.
Oft am Vormittag beim Appell, der den „Auszählungen“ vorausging und folgte, kamen aus dem Mund des wachhabenden Unteroffiziers Beleidigungen gegen die italienischen Frauen, die seiner Meinung nach alle Nutten waren, weil sie sogar mit den Farbigen ins Bett gingen. Leider stellten sie selbst aber später fest, dass er teilweise Recht hatte.
Einmal beschränkte er sich nicht darauf, die italienischen Frauen wie sonst zu beleidigen, sondern beschuldigte die italienischen Soldaten der Feigheit, und dass sie mehr dazu bereit waren abzuhauen als zu kämpfen. Dieses in gewisser Weise oberflächliche und diskriminierende Urteil war typisch für viele Amerikaner und beinhaltete alle Italiener, ganz gleich welche Wahl sie getroffen hatten.
Aber weil für die Gefangenen die italienischen Soldaten jene der RSI par excellence waren, übernahm es eine zu antworten, dass jene, die sie „Feiglinge“ nannten, an ein Heer gefesselt blieben, das hundert Mal höher angesiedelt war als dieses, in dem sie monatelang praktisch mit bloßen Händen gegen die Panzer gekämpft hatten. Ein solches Eingreifen erfasste alle anderen emotional und die Beleidigung, die sie sich gegen ihn anmaßten, schien so wenig tolerierbar. Es entstand ein Mordskrach: der Sergeant gab den Wachtürmen den Befehl die Maschinengewehre auszupacken, genannt MP, und allein dadurch kehrte Ruhe ein. Sechs oder sieben Gefangene wurden ins Bestrafungszimmer gebracht und alle anderen wurde für die nächsten fünf Tage auf halbe Essensration gesetzt.
Elvira hatte nach Hause geschrieben und erwartete ängstlich und hoffnungsvoll eine Antwort. Und es war Margherita, die sie zurückhielt zu protestieren, als eines Tages bei der üblichen Versammlung der Sergeant sagte, dass für sie ein Sack voller Post angekommen war, aber weil sie sich schlecht benommen hätten, hätte er ihn verbrannt.
Ein Militärkaplan war gekommen, um den eingesperrten Partisaninnen einen Besuch abzustatten. Jener war Teil einer Partisanentruppe, die ein weißes Halstuch trug. Maddalena, eine Helferin aus Alessandria, war eine wirkliche Anhängerin des Führers und oft war sie, erschöpft und mit Schmerzen im Körper und in der Seele wegen der bedenklichen Gesundheitsbedingungen, des Hungers und der kompletten Unwissenheit über das Schicksal ihrer Familie, in einem Zustand der träumerischen Verwirrung: sie sah drohend einen neuerlichen Aufstieg der faschistischen Welt, Marschreihen, Endlösungen mit Spezialwaffen usw. usw.
Als der Partisanenkaplan die „Dreistigkeit“ hatte zu sagen, dass die Faschistinnen dem Herrgott danken müssten, dass sie das Schlechte verbüßen konnten, bei all dem Leid und dem Mangel im Lager, das sie begangen hatten und die Sünden, von denen sie befleckt worden waren (weil sie ganz bestimmt das Schlechte verdient hatten), blieben alle stumm, bis er anfing ein irgendwie drohendes Gemurmel anzuheben.
Maddalena hielt sich nicht zurück auf den Priester zu schimpfen, „katholischer Kommunist, Zionist, Vaterlandsverräter“ und so weiter, aber um das Eingreifen der Wachleute zu vermeiden, wurde sie von Margherita aufgehalten und wieder zur Ruhe gebracht, die im Übrigen dem Gesprächspartner den wirklichen Zustand des Mädchens erklärte. Margherita pflegte sich mit ihm in einer sehr förmlichen und diplomatischen Art und Weise zu unterhalten, und sie bemerkte, dass jener „ein bisschen revolutionäre“ Priester sie weiterhin so anschaute, bis er sie fragte, ob sie jemals gearbeitet hätte für (…).
Margherita stritt das unverzüglich und vehement ab und grüßte ihn, während sie sich eilig von ihm entfernte. Aber der Priester hatte Recht, und er hatte so sehr Recht, dass Margherita, immer kühl und Herrin ihrer Gefühle, von einer intensiven Aufregung erfasst wurde, dass sie alles sagte über die Angst wiedererkannt worden zu sein: jene Weihnachtsnacht 1943, auf den Anhöhen des toskanisch-romagnolischen Apennins, in jenem halb verfallenen Dorf auf der Jagd auf Juden zusammen mit der deutschen SS, deren Übersetzerin sie war, sie hatten auch an jenes Pfarrhaus geklopft und hatten alles durchsucht, sie hatten nicht das, was sie gesucht hatten, gefunden, aber gewisse illegale Dokumente, die Margherita letztlich sehr frei dem deutschen Oberleutnant übersetzt hatte, wofür es glücklicherweise keine Konsequenzen gab.
Elvira hatte dann eine große Lust zu leben, zu singen und alles durcheinanderzubringen wiedererlangt, und hatte sich mit den „balilline“ angefreundet (die so genannt wurden, weil sie sehr jung waren, manchmal sogar jünger als 16 Jahre) und die „tripoline“ (die die Töchter der italienischen Kolonien in Libyen waren). Es entwickelten sich auch Flirts mit den Jungen des Lagers neben denen der Mädchen und die Wachen überraschten sie, während sie Briefchen über den Stacheldraht warfen.
Es gab auch einen großen Schuppen, wo die Gefangenen Autos reparieren mussten. Schön war, dass sich zarte Bande knüpften, und schlecht war, dass es auch neue Bestrafungen hagelte.
Und so riskierten sie alle, wegen der Bestrafung, die Gelegenheit auf spendierte reichliche Frittelle zum „independence day“ (4.Juli) zu verlieren.
Margherita hingegen wurde sehr mit den Deutschen vertraut und besonders mit Gertrude, eine Rassen-Intellektuelle zumindest in der Theorie und enge Freundin von Goebbels. Sie sprachen von der Geschichte, von der arischen Literatur, von Brauchtum und der Rolle der Frau. Dann wurde den Deutschen die Abreise in ihr Heimatland verkündet. Und viele Italienerinnen waren darüber froh, auch wenn sie sie nicht leiden konnten.
Gertrude jedoch war überhaupt nicht froh ins Heimatland zurückzukehren, weil sie den Ruin einer zerstörten Nation gesehen hatte, ein Volk vielleicht für immer auf die Sklaverei reduziert, und sehr wahrscheinlich hätte sie weder ihr Haus noch ihre Familie (Eltern und Geschwister) wiedergefunden.
Sie reiste wie die anderen in Uniform ab, mit schönen Hosen (um die sie Margherita sehr beneidete) und die Rucksäcke unglaublich voll.
Die beiden stattlichen Amazonen (Margherita und Gertrude) würden niemals die kulturelle, geistige und persönliche Annäherung, die sie während ihrer Gefangenschaft verbunden hatte, vergessen, und während die Gruppe abreiste, waren die bewegenden … oder hoffnungsfrohen sich wiederholenden Abschiedsgrüße „Auf Wiedersehen“ nicht zu überhören.
An den Fenstern des Krankenhauses sahen sich jedoch italienische und deutsche Verwundete: einer spielte Mundharmonika, ein anderer sang mit einer schönen Tenorstimme.
Für diese sangen die Mädchen abends „patriotische“ Lieder und tauschen einige Süßigkeiten gegen einige Päckchen Tabak, um ihnen diese mittels des Kaplans, der sie ab und zu besuchte, zukommen zu lassen. Als ihnen ein Radio gebracht wurde, um das sie schon lange gebeten hatten, und als sie Radio Firenze oder andere Radiosender, die sie empfangen konnten, hörten, bemerkten sie durch die aktuellen Nachrichten, dass die Zeiten hart für alle waren, auch außerhalb, auch für jene, die die „Befreier“ so sehr erwartet hatten.
Aber wie kamen jetzt die Kameradinnen draußen durch, die aus der Gefangenschaft gerettet worden waren und die die furchtbarsten Tage überlebt hatten? Das war das Dilemma: die Gefangenen wollten alle frei sein, aber was erwartete sie, wenn sie einmal draußen waren und in ihr Dorf oder in ihr Wohnviertel zurückkehrten, auch wenn sie von den Familienbelangen belebt würden? Vielleicht waren sie in Gefangenschaft wirklich sicherer.
Aber sie wussten nicht, dass auch die Zeiten sich schnell änderten…
Dafür war die Musik, die gesendet wurde, vor allem amerikanische, eine Art, die ihnen ganz gut gefiel, auch wenn sie das nur schamhaft und widerstrebend zugaben.
Es gab keine Nachricht von Elviras Familie und auch nicht von den Familien der Anderen. Und dennoch schrieb Elvira weiterhin an ihre Mutter auf jenem seltsamen speziellen Briefpapier, das sie erhielten.
Sie sahen am Abend oft amerikanische Fahrzeuge vor den Fenstern vorbeifahren, mit jungen Mädchen aus Florenz darauf, die ordinär lachten und sehr geschminkt waren.
Von hinter dem Stacheldrahtzaun aus beleidigten die Gefangenen sie: die Missbilligung war enorm, die sie gegenüber diesen an den Feind „Verkauften“ empfanden, war riesengroß, und für die Mädchen, die den gleichen nostalgischen Glauben teilten, war es ein verhasstes Schauspiel.
Aber auch jene hatten Hunger … vor allem, und auch eine große Lust zu leben und zu genießen.
Für einige war es schon sehr schwer, bei einer Helferin auf kokettes oder typisch weibliches Verhalten bei den Amerikanern anzuspielen, weil sie auch die Verwundeten sahen, die „Unsrigen“, wie sie sagten, im Krankenhaus oder in anderen Verhauen.
Und Viele hatten das Elvira auch spüren lassen, auch mit Vehemenz, wegen ihrer wenig überlegten Ausschweifungen, ihrer überschwänglichen Töne …
Aber sie kannten sie nicht: nur Margherita konnte Elviras Benehmen das richtige Gewicht und die richtige Bedeutung zumessen, weil „sie aus dem gleichen Material gefertigt war wie ihre Träume“.
Dann eines Morgens gab es eine große Zusammenkunft. Sie wurden in zwei Gruppen eingeteilt, die in der ersten oder in der zweiten Phase abfahren durften.
Margherita, Elvira und die „balilline“-Mädchen waren in der zweiten Gruppe, weil in der ersten nur die waren, die angegeben hatten, dass sie im Hilfsdienst nur eingezogen waren wegen des Geldes. In der Zwischenzeit, gegen Mittag, waren diejenigen auf drei Lastwägen abgefahren, die schon am Tag zuvor einberufen worden waren: alle waren fast davon überzeugt, nach Hause zurückzukehren, obwohl sie ihnen weder Geld noch Uhren zurückgegeben hatten. Stattdessen hatten sie sie ins Gefängnis geworfen und sie den Italienern ausgeliefert… „Alles andere als die Freiheit! Die armen Mädchen waren so froh abgefahren, und stattdessen …“
Aber würden sie am Ende nicht alle das gleiche Schicksal erleiden?
Einige, die sich an die Partisanen erinnerten, hatten eine unbeschreibliche Angst, wieder in die Hände der Italiener zu gelangen; wegen der Furcht, dass das Komitee der nationalen Befreiung (CLN) sich wieder für sie interessierte, aber dennoch machte man seit einigen Tagen nichts Anderes als von der Abreise zu sprechen.
Dann wurde die Nachricht, im Gegensatz zu all den anderen Malen vorher, offiziell. „Wir werden nach Florenz fahren“, verkündete Alba, die Berichterstatterin der Gruppe, die sich in hohen Bereichen verdingt hatte – „in eine Schule oder Akademie, ich habe das nicht genau verstanden. Sie hatten schon die Zimmer angewiesen, man wartete nur auf den Befehl.“
Einen Tag später las der amerikanische Hauptmann die Liste der Leute vor, die verlegt werden sollten, er verabschiedete sie, schaute dabei immer wieder beharrlich Elvira an, und forderte alle auf, die Kleidung, die sie mitnehmen wollten, vorzubereiten. Sie sollten dabei so wenig wie möglich durcheinander bringen.
Und so wurden alle am 12. September 1945 in die Gebäude der städtischen Müllabfuhr in Casellina gebracht und den Italienern ausgeliefert, aber es handelte sich um Carabinieri, die mit der alliierten Militärpolizei zusammenarbeitete. Sie kamen am Abend im neuen Lager an, das dann aber kein Lager war, sondern ein großes gemauertes Gebäude, in das man einen Haufen Schutt gekippt hatte.
Während der Verlegung von Scandicci nach Casellina schafften sie es, während der kurzen Reise auf dem Lastwagen, ein wenig freies Leben zu sehen, sogar eine Straßenbahn und Fahrräder …
Im neuen Lager war noch alles zu organisieren, es gab kein Wasser und die Toiletten funktionierten noch nicht.
Am Morgen danach wurde alles von den Amerikanern und Italienern inspiziert. Ein Oberleutnant und ein Hauptmann der Carabinieri hießen sie willkommen. Sie sagten, dass sie unter ihrem „Schutz“ standen.
Wegen der immer kleineren Essensrationen begannen einige, den „reichlichen Mahlzeiten“ der Amerikaner nachzuweinen: das Brot, das in glücklicheren Momenten in vier Teile geschnitten wurde, wurde jetzt in sechs Teile geschnitten oder manchmal auch in acht. Aber endlich aßen sie wieder an Tischen: ein Luxus, den sie gar nicht mehr gewohnt waren.
Dann eines Abends brodelte es sehr, weil ein Zettel ankam, auf dem die Kommunisten des Dorfes einen Überfall mit Handgranaten androhten. Und diesem folgte noch ein zweiter. Aber der Hunger war immer das größte Problem, mit einigen Ausnahmen, wenn Verwandte und Freunde kamen, um Mädchen zu besuchen. Dann teilten sie mit den anderen im Rahmen des Möglichen und … nach gegenseitiger Sympathie und Zuneigung.
Die Mutter von Loredana war gekommen, um sie zu besuchen, und alle freuten sich für sie. Sie hatte Brot mitgebracht (ein gutes hausgebackenes Brot), außerdem noch Weintrauben und ein gebratenes Kaninchen. Sie machten ein erinnerungswürdiges Mittagessen: es gab sogar neuen Wein und Walnüsse.
Von einigen Leuten, die zu Besuch kamen, wussten sie, dass die Zeitungen die Nachricht veröffentlichten, dass mehr als 30.000 Gefangene von Coltano befreit worden waren. Und für viele, unter ihnen auch Elvira, aber noch nicht Margherita, kam der Tag der Freiheit.
An dem Vormittag, an dem Elvira befreit wurde, fuhren andauernd Lastwagen vor dem Gebäude hin und her. Lastwagen, die beladen waren mit Kommunisten mit großen roten Fahnen. Natürlich tobte ein riesiger Chor von verschiedenen Schreien und Pfiffen, als sie vorbeifuhren. Sie rasten wie verrückt und jemand kehrte um, um gegen die Schreie und Pfiffe zu protestieren, während die Carabinieri und die MIG-Patrouille mit Karabiner und Maschinengewehren bereitstanden, um eventuelle Überfälle von außen zu verhindern.
Margherita wartete darauf, dass sie ihre sehr gute Freundin aus dem Haupttor kommen sehen konnte: es gab kein Adieu, sondern ein „Auf Wiedersehen“, weil sie beschlossen hatten, sich auf jeden Fall wiederzusehen. Sie hatten Adressen ausgetauscht, und Elvira würde, nachdem sie ihre Familie aufgesucht hatte, zurückkehren und Margherita gleich anschließend besuchen, falls sie noch eingesperrt sein sollte.
Zwar war die Trennung bewegend, aber nicht dramatisch: aber Margherita konnte natürlich nicht ahnen, was dann geschehen würde.
Während Elvira zum Haupttor hinausging und die Straße überquerte, suchte sie den Blickkontakt mit Margherita, die sie aus einem der Stockwerke des Gebäudes beobachtete. Dabei wurde das arme Mädchen von einem den Alliierten gehörenden Lastwagen, der auf gefährliche Art und mit hoher Geschwindigkeit gesteuert wurde, erfasst und mehrere Dutzend Meter weiter nach vorne geschleudert.
Margherita, kaum dass sie gemerkt hatte, was vorgefallen war, stieß einen fürchterlichen Schrei aus, der die anderen Mädchen zusammenlaufen ließ. Diese schafften es nicht, die geistige Betroffenheit zu überwinden, die von allen Besitz ergriffen hatte.
Margherita leistete keinerlei Widerstand gegen den Schock und wurde ohnmächtig: sie wurde gerettet und in die Krankenstation gebracht. Als sie wieder aus der Ohnmacht erwachte, fragte sie nach Elvira, und ihr wurde gesagt, dass sie ins Krankenhaus gebracht worden war, um ihr das Leben zu retten, dass aber ihr Zustand sehr kritisch sei. Nach einigen Stunden kam die Nachricht, dass Elvira gestorben sei. Es war der 20. November 1945.
Margherita blieb verstört, stumm, mit starrem leeren Blick, ohne etwas zu essen oder zu trinken: jetzt hatte sie alles und jede persönliche körperliche und geistige Inspiration verloren. Sie weinte, sie weinte viel, sie konnte kaum aufhören. Dann hatte sie keine Tränen mehr, und ihr blieb nur noch die Kälte im Herzen. Und die Erinnerungen … Es war quälend, sich an alles zu erinnern, aber sie schaffte es nicht, sich davon frei zu machen.
Einige Tage vor ihrer Befreiung fragte ein junger Mann in bürgerlicher Kleidung nach Margherita, aber sie ließ ihn nicht in das Besucherzimmer eintreten, weil gerade eine der üblichen Durchsuchungen stattfanden, und er hatte am Eingang Obst, Käse und Marmelade für sie liegenlassen. Es war Luciano, der verführte und verratene, aber immer noch in sie verliebte Partisan.
Und dann war auch sie endlich frei: es war der 1. Dezember 1945.

Traduzione dall’italiano al tedesco di Gianni Casoni e Christine Konstantinidis.

www.tedescotraduzioni.com

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