sabato 16 aprile 2011

Die Ehre und die Passion (I.Teil)

DIE EHRE UND DIE PASSION (titolo originale: L’onore e la passione/ 2^ediz. di Specchi sul lago 1944) Romanzo di Giuseppe Bronzi.

Vorwort zu den beiden parallel verlaufenden und in wechselseitiger Beziehung stehenden Geschichten
25. April 1945: drei Helferinnen der RSI und die Begegnung mit ihrem Schicksal

Der Föderationssekretär hatte alle von ihren Schwüren entbunden, als er die Kameraden und Kameradinnen im Sitz der Brigade, in einer norditalienischen Stadt, das letzte Mal verabschiedete. Er ließ allen die Wahl, die sie für sich selbst am geeignetsten hielten. Wenn jemand es für richtig hielt, die eigene Wohnung aufzusuchen, stand es ihm frei, das zu tun. Es erwartete sie das Unbekannte: er sagte auch, dass sie sich, wenn sie blieben, bestenfalls auf die Reise zu den Konzentrationslagern hätten vorbereiten müssen. Die Männer schimpften, die Frauen weinten, während sie mit den Schaufeln dem Schreiber halfen, die Unterlagen der Archive in den Heizkesseln zu verbrennen; ihre Tränen schienen die Flammen zu nähren.
Die meisten entschieden sich zu bleiben, um den letzten Widerstand zu leisten, während die drei Helferinnen Margherita, Elvira und Elsa sich dazu entschieden zu gehen: Margherita stopfte alles in den Rucksack, was sie konnte, und genauso machten es die Anderen. Grüße, Umarmungen und Tränen.
Nachdem sie weggegangen waren und einige Kilometer zurückgelegt hatten, bemerkten sie, dass sich alles verändert hat: auf den Plätzen wurden die Wappen abgerissen und zerstört, die roten Fahnen wurden gehisst und die Glocken aller Kirchen läuteten.
Sie sahen reihenweise Partisanen vorbeiziehen: die Leute klatschen den „Verrätern“ Beifall.
Sie unterbrachen ihr unermüdliches und krampfhaftes Einherschreiten und blieben für einige Momente ungerührt und bewegten sich nicht, verwirrt und mit chaotischer Gemütslage.
Elsa jedoch hielt sich nicht zurück, eine Splittergruppe von Partisanen, die auch gequält vom Alkohol gegen den Führer schimpfte, kräftig anzuschnauzen: „Ihr seid Herdentiere und Verräter …“. Sie wurde wiedererkannt: „Und sie ist eine faschistische Spionin der schwarzen Brigade, ich erkenne sie wieder …“ Sie wurde ergriffen und weggebracht: man wusste nichts mehr über sie …
KAPITEL 1

Elsa, die gedemütigte Gefangene (Elsa überlebte und …)

Sie wurde sprichwörtlich mitgeschleift und 200 Meter zu einem Lastwagen gezerrt, wo schon andere Personen aufgeladen waren: Alte, Junge und Frauen unterschiedlichen Alters. Sie wurde gezwungen hinaufzusteigen, sie setzte sich und hatte Gelegenheit, für einen Moment die lange Straße anzuschauen, die sie zusammen mit den anderen beiden Helferinnen entlanglaufen wollte. Sie hoffte, in einem Aufflammen von Hoffnung, sie noch weit entfernt sehen zu können. Aber sie sah niemanden und suchte das Gespräch mit den Leuten, die in der gleichen Lage waren wie sie.
Ein Junge war verletzt und schimpfte auf Gott und auf die Männer: „Ich war vor drei Tagen in Mailand (22. April 1945), dort waren Tausende von bewaffneten Faschisten, wir sind vom Piazza Sansepolcro abgereist und sind die Straßen von Mailand entlanggefahren, bis wir den Corso Monforte erreichten, das Hauptquartier des Generals, um Befehle bezüglich der letzten Schlacht von ihm zu erhalten. Wir fuhren die Straßen entlang und sangen die Hymne der Sozialrepublik. Wir strömten in den Hof der Präfektur, bis er voll war. Wir schrien „Führer, Führer“, unsere Begeisterung ließ den Führer zu uns stoßen. Wir flehten ihn an und sagten ihm, wir hätten ihn niemals verlassen. Der Föderationssekretär Costa aus Mailand beschwor ihn im Namen aller, Befehle zu erteilen und uns wissen zu lassen, was er vorhatte. Wir hätten alles bis ins kleinste Detail ausgeführt.
Mussolini hat gesprochen und gesagt, dass wir die Berge hätten erreichen können, um es durchzustehen, aber dass irgendetwas passiert sei, alle sollten sich daran erinnern, dass sie für die Ehre Italiens gekämpft hatten. Aber er sagte auch, dass es eine schwere Stunde wäre und dass wir die durch so viele Opfer geweihten Fesseln der Kameradschaft fester ziehen müssten, weil „Italien uns noch brauche …“.
Der Junge hatte seine Erzählung tränenüberströmt abgebrochen.
„Mir wurde gesagt, dass Pavolini alle Faschisten einsammelte, um den Comer See zu erreichen, aber ich hatte verstanden, dass Mussolini keinen präzisen Plan hatte, auch weil einige Parteifunktionäre , die miteinander sprachen, gesagt hatten, dass es keine Redoute im Valtellina gebe und dass Como nur eine Etappe auf der Flucht in die Schweiz sei, einem Einlass, den die helvetischen Behörden nur dem Führer und einem engen Kreis von Mitarbeitern zugestanden hätten, vielleicht allen Regierungsmitgliedern, aber sicherlich nicht den anderen Anhängern. Ich hörte einem Offiziellen der Infanterie zu, der von einem Ausspruch desselben Grazianis berichtete: „Ich fürchte, dass Mussolini diesmal nur an sich selbst denkt und daran, seine eigene Haut zu retten …“
Es schien mir, als würde die ganze Welt um mich herum zusammenbrechen, mein Herz schlug stark und mir war schwindlig:
es war besser, zu meiner Familie am Lago Maggiore zurückzukehren. So entfernte ich mich aus Mailand, bat eine Bauernfamilie um bürgerliche Kleidung, im Austausch gegen meine Uniform, meine Uhr und meines mit Lebensmitteln und Zigaretten vollgestopften Rucksacks, aber sie lehnten ab, weil es für Leute wie mich nichts gab. Ich wurde gefangengenommen und vor den Toren dieser Stadt verletzt, und jetzt bin ich hier. Es ist aus, meine Kameraden, ich werde meine Mutter nicht mehr wiedersehen.“
Elsa bebte vor Wut und vor Schmerz: alles war so schnell gegangen: man sprach von versteckten Waffen, die den weiteren Krieg beeinflusst hätten, man sprach auch von einem gesonderten Frieden mit den englischsprachigen Amerikanern, um den Krieg gegen die Kommunisten weiterzuführen; jedoch „hier sind wir, in ihren Händen“. Und der Führer, der keine Befehle gab, und von dem man sagte, er werde flüchten: „Das ist nicht möglich, das ist nicht möglich …“, sagte sie immer wieder.
Der Lastwagen fuhr aus der Stadt heraus, einer Stadt in Feierlaune, und das war die überraschendste und befremdlichste Tatsache für Elsa, die mit all der Leidenschaft eines unerschütterlichen Vertrauens in den Faschismus und in den Führer (ihrem zweiten Vater) geglaubt hatte, dass es eine Pflicht für alle Italiener sei, sich von der falschen Ehre loszusagen. Sie schaffte es nicht zu verstehen, wie die Anderen, vielleicht sogar aus der gleichen Generation wie sie, in der Zwischenzeit eine genau entgegengesetzte Meinung bilden konnten und von anderen Leitbildern und Idealen des Vaterlandes träumten, absolut im guten Glauben und in Frieden mit ihrem italienischen Gewissen.
Als der Lastwagen auf dem höchsten Punkt des Hügels angekommen war, hielt er an und entledigte sich der menschlichen Fracht, indem er sie in eine große Halle ablud, in der schon ganze Heerscharen von Soldaten der RSI, Schwarzhemden, Zivilisten und Frauen anwesend waren: aber Elsa war die einzige Frau in Uniform mit dem Schwert und der Baskenmütze mit dem aufgenähten Wappen der S.A.F. (Weiblicher Hilfsservice).
Elsa hätte am liebsten das Wort ergriffen, um alle durch ihren Stolz und durch die Erinnerung daran wie sie für die Ehre Italiens gekämpft hatten zu motivieren, wenn sie den Mut und die Tollkühnheit dazu gehabt hätte. Nachdem sie schnaubend aufgestampft hatte, fand sie unglücklicherweise den Mut dazu und, das Herz klopfte ihr bis zum Hals, sie begann zur großen Verwunderung von Allen zu sprechen und versuchte, den Anderen das, was Mussolini bei seiner letzten Rede in Mailand gesagt hatte, mitzuteilen. Alle Blicke waren auf sie gerichtet, aber leider auch die der beiden Partisanen, die vor dem Eingang der Halle saßen.
Sie erlaubten ihr nicht einmal eine ein bisschen Zeit in Anspruch nehmende kleine Ansprache, weil sie ergriffen und in ein Zimmer gebracht wurde, wo es so aussah als würde schon ein kurzerhand einberufenes Gericht abgehalten werden. Einer der zwei Männer, die sie bis dorthin gebracht hatten, näherte sich jemandem, der der Kommandant zu sein schien und sagte ihm etwas ins Ohr: der Kommandant schaute auf und machte mit der Hand eine unmissverständliche Geste, die auf eine Schere anspielte.
Und so kam es, dass Elsa unter Beleidigungen, Gelächter und Spott das demütigende Ritual eines Komplett-Haarschnittes über sich ergehen lassen musste. Kurz danach wurde sie separat in einen Stall gesperrt.
Die Nacht brach an: während sie sich anschickte, sich im Heu schlafen zu legen, dachte sie an die Vergangenheit, an die Erinnerungen und an die Erzählungen ihrer Eltern und der alten Leute.
Als Elsa geboren wurde, es war ein Sonntag im März 1926, ein Anflug von Frühling: schwarze Wolken lagen über dem auf Felsen gelegenen Dorf, während die höchsten Gipfel der Bergkette des Vorapennin hie und da noch unter Schnee lagen.
Papa Eugenio, der das Haus verließ, um zum Club Umberto I, dem er als Präsident vorstand, zu gehen, dachte daran, dass der jährliche Gedenktag des Erlasses der Albertinen-Satzung diesmal vielleicht nicht würdig gefeiert werden könne durch einen Festzug der Mitglieder der Behörden, der Ordnungskräfte in Feiertagsuniform und der Anhänger der Traditionen, jener Festzug, bei dem er als Fahnenträger in der ersten Reihe stand und der jedes Jahr sich durch die Straßen des „historischen Zentrums“ schlängelte, das das ganze Dorf war.
Die Ehefrau, die das sechste Mal schwanger war, hatte am Vortag einige die Schwangerschaft beendende Anzeichen verspürt: dieses Wesen war nicht besonders erwünscht, aber die Schwangerschaft wurde verbracht mit großem Bangen, Gefühlen und einer besonderen Zärtlichkeit beider jetzt nicht mehr ganz jungen Elternteile, deren ältester Sohn schon älter als 25 Jahre war.
Eugenio wartete an der aufgesperrten Tür des Clubs und dachte an das unruhige und konfliktreiche Jahrhundert, während die Leute, die auf den Platz gegenüber von ihm strömten, ihn das Gleiche fragten, und das bedeutete, sie fragten ihn nach Emma, seiner Frau.
Eugenio, Schreiner von Beruf, ein liberaler Monarchist, und Emma, seine Frau, eine gläubige Frau, hatten die Kinder nach den Regeln der Ehre und der Freiheit erzogen.
Sie hatten den Faschismus ertragen müssen: trotzdem hatten sich die Kinder benehmen können wie die Anderen, weil es nicht richtig war, dass sie aus der Gesellschaft ausgegrenzt würde aus purem Faschismus oder aus Kirchenfaschismus.
Wenn Eugenio sich jedes Jahr wegen dieses Jahrestages, dem ersten Sonntag des Monats, sich auf der Schwelle des Clubs Umberto I niederließ, näherte sich sofort der örtliche Sekretär der faschistischen Partei mit seiner besserwisserischen und arroganten Miene, die ihn pünktlich, als wäre es ein Ritual, daran erinnerte, dass das Regime aufrichtige Leute brauchte, von klarem Glauben ohne Vorbehalte und ohne Schwanken, darauf anspielend, dass er zu weit entfernt von diesem Ideal war und auch zu wenig begeistert, im Gegenteil, ich würde sagen, sehr kalt wegen des Faschismus. Der Schreiner tat so, als hörte er ihm zu, aber er dachte vielmehr in seinem Herzen an diese riesige Verantwortung, Kinder in die Welt zu setzen, als er und seine Frau schon älter als 50 Jahre waren, um sie in eine Welt zu entlassen, die sich wer weiß wohin entwickelte und in der vor allem die Arroganten, die Unehrlichen, die Skrupellosen, die Karrieremacher, die ohne Gewissen zählten.
Aber einmal geboren, erinnerte Eugenio die Kinder, sobald sie alt genug waren, das zu verstehen, daran, dass es in seinem armen Haus noch einen großen Reichtum gab: DIE FREIHEIT. Nachdem die Kinder den Ausführungen ihrer Eltern zugehört hatten, hatten sie die Freiheit ihre Wahl zu treffen und ihr tägliches Leben so zu führen, wie sie es für das Beste hielten.
Aber Halt! Es gab Gerechtigkeitsempfinden, Moral und Ehrbarkeit, gegen die nicht verstoßen werden konnte: wenn das passiert wäre, hätte einen die gleiche Familie abgelehnt „WEIL MAN MIT DER EHRBARKEIT KEINE SCHERZE MACHT!“. Eugenio glaubte an Gott, aber wenig an die Priester und an ihr Machtsystem: Die Kinder gingen zur Schule und zum Katechismus, besuchten die Kirchengemeinde genauso wie die anderen Sozialeinrichtungen des Dorfes. Eine Tochter, die sich bei der katholischen Bewegung anmelden wollte, hatte er daran erinnert, dass sie, wenn sie das so machte, die Verpflichtungen gegenüber den typischen Regeln der stets scheinheiligen Kreise, der Betschwestern und Betbrüder einzuhalten habe, für die dieser Unterschied ein Hindernis gewesen wäre falls sie mit allen anderen Jungen an Bällen, an Theateraufführungen und anderen Freizeitbeschäftigungen teilnehmen wollte.
Aber die Kinder hatten trotzdem nichts, worüber sie sich beklagen konnten: sie waren aufrichtige und von allen respektierte Jungen! Während einige Mitglieder und Freunde sich betont lässig dem Club näherten und eintraten, nachdem man sie herzlich gegrüßt hatte, brachen entschlossene Strahlen einer Sonne durch die dicken Wolken, und das änderte entschieden jede unheilvolle Vorhersage bezüglich der bevorstehenden Veranstaltungen. Als im Laufe einiger Minuten das Licht intensiver, ja fast blendend wurde, sah Eugenio seine Schwägerin Ada hinten auf den Platz treten, abgehetzt durch das lange Rennen, und sie rief ihm zu: „Lauf, Eugenio, lauf nach Hause, sie ist geboren, sie ist geboren!“
Eugenio gab kurz Weisungen an seinen Hauptmitarbeiter, der ihm gratulierte, mit der Zeremonie fortzufahren und rannte nach Hause: Elsa war geboren.
Das war der Anfang des „erzählten Lebens“: verklärt in der Fantasie. Aber noch präsenter im Gedächtnis von Elsa gruben sich ihre zehrenden Kindheitserinnerungen aus der Zeit der 4. Klasse der Grundschule.
Es war das Jahr 1935: Elsa hörte der Lehrerin Ottavia in der Geschichtsstunde mit Interesse und mit großer Anteilnahme zu, als diese über den siegreichen Frieden (der große Krieg von 1915 bis 1918) sprach, dem überaus traurige Jahre von zügelloser Anarchie folgten. In der Tat gab es Männer ohne jegliches Gefühl für das Vaterland und die Ehre, die eine unvernünftige Hasspropaganda gegen die Religion, das Vaterland, die Monarchie geführt hatten, und Umstürzler genannt wurden, weil sie anstrebten, alle sozialen Ordnungen umzustürzen. Ihr zerstörerisches Werk wurde vereinfacht durch die Entbehrungen, die das Volk erlitt während der langen Jahre des Krieges, die, auch nach dem Frieden, nicht plötzlich auf wundersame Weise aufhören konnten.
Aber die Umstürzler sagen, dass der Krieg nichts Gutes gebracht habe und hätte, und dass er deshalb ein unnützes und schuldiges Blutbad gewesen sei. Man sah bald die Ergebnisse ihrer Worte, die Unstimmigkeit säten: die Städte und das Land wurden verwüstet durch Krawalle und Blutbad, und wie viele, die die Ehre und den Glauben an das Schicksal Italiens, an den Ruhm der Kriege, an die Anständigkeit der Religion und der Passion der Vaterlandsliebe bewahrten, wurden verspottet, verfolgt, wurden zur Zielscheibe der schlimmsten Gewalt, und auch die dreifarbige Fahne mit dem savoyischen Wappen, das heilige Banner des Vaterlandes, wurde geschmäht, zerrissen, in den Dreck gezogen. „Aber Italien wurde gerettet, weil das die Vorsehung von Benito Mussolini so gewollt hat.“ Der Führer, der unter den leidenschaftlichsten Unterstützern des Krieges gegen Österreich war und tapfer als Anhänger einer Scharfschützentruppe gekämpft hatte und schlimme Verletzungen erlitt, widmete sich mit der gleichen Überzeugung und dem gleichen Mut, unter Einsatz seines Lebens, der heiligen Mission, im italienischen Volk jene Tugend wiederzuerwecken, die vom Risorgimento bis zum großen siegreichen Krieg andauerte. Er griff die Umstürzler an und besiegte sie; er brachte die Arbeitsdisziplin und den Stolz auf das Vaterland zu den Leuten zurück, gab denjenigen die Ehre zurück, die gekämpft hatten. Mit dem Marsch nach Rom und der Machtergreifung der faschistischen Regierung kehrte die Einigkeit unter den Italienern zurück, die dem Führer nicht nur den Fortschritt des Landes, der von ihm geschaffen wurde, schuldeten, sondern auch, dass er ein erinnerungswürdiges Ereignis möglich gemacht hat: die Lateranverträge von 1929 zwischen dem italienischen Staat und der römisch-katholischen Kirche.
„Und es ist so, dass …“ schloss die Lehrerin, … dass Italien heute großes Ansehen und Respekt bei den anderen Ländern genießt, die die edlen Beispiele und Erfolge des Faschismus in allen Bereichen dank der Arbeit und der Genialität von Benito Mussolini bewundern.“
Die Lehrerin Ottavia erlebte die Zeit zu Anfang des Jahrhunderts mit, lebte für die Passion, für ihren Führer, für ihre Schüler, für den Faschismus, für die alte kranke Mutter, die sie zu Hause erwartete, um sie jeden Tag mit zitternder Hand zu streicheln.
Elsa nahm alles auf und träumte, sie träumte davon schnell groß zu werden, um den Wünschen des Führers entsprechen zu können, wegen der Ehre eine italienische Frau zu sein.
Elsa erinnerte sich dann daran, im Radio den folgenden Satz des Führers gehört zu haben: „Mit Äthiopien hatten wir 40 Jahre lang Geduld, jetzt reicht es!“
Es war der 2. Oktober 1935: das Radio, das auf dem Platz mit Verstärkern versehen war, drang durch das Dorf: Der Führer gab den Beginn des Krieges gegen Äthiopien bekannt. Wenige Tage später hängte die Lehrerin im Klassenzimmer die Karte von Ostafrika auf und die Schülerinnen setzten eine kleine dreifarbige Fahne auf Italienisch-Ostafrika. Dann diktierte die Lehrerin den Schülerinnen die Mitteilung und das Jubel- und Freudentelegramm, das der Führer an die ruhmreichen Soldaten geschickte hatte. Es lebe Italienisch-Ostafrika! An der Nordfront rückten die Truppen von Badoglio vor, während von Süden her Graziani heranrückte: die Lehrerin meldete täglich die Fortschritte der italienischen Truppen, die vorrückten und Städte besetzten, und Elsa und ihre Kameradinnen, unter ihnen Sandra und Ruth, setzten sorgfältig die italienischen Fähnchen auf die Landkarte, bis unsere Soldaten siegreich in Addis Abeba ankamen. Die Nachricht wurde bei einem feierlichen Appell von Mussolini verkündet und im Radio übertragen. Elsa, Sandra und Ruth nahmen die Nachricht mit tobender Begeisterung auf, und zusammen mit ihren Klassenkameraden stimmten sie lebhaft Hymnen auf die Herrscher Italiens an, auf den Führer, auf die tapferen Soldaten und Heerführer und auf die gefallenen Helden.
Es war eine große Freundschaft zwischen Elsa, Sandra und Ruth, sie waren Schul- und auch Spielkameradinnen. Aber es kam das Jahr 1938 und mit ihm die Rassengesetze, wie ein plötzliches Sommergewitter. Elsa, die Tochter eines freiheitlichen Monarchisten, und Sandra, die Tochter eines vom Regime zum Schweigen gebrachten Sozialisten, sahen, wie Ruth, die Tochter eines jüdischen Uhrmachers, auf der Suche nach einem sicheren Zufluchtsort abreiste und konnten, obwohl sie darunter litten, die Diskrimination nicht verstehen, die hereinstürzte im Hinblick auf ihre gemeinsame Freundin Ruth … Elsa erinnerte sich daran, dass sie den Pfarrer des Dorfes gefragt hatte: „Don Bruno, warum beten wir für die „perfiden“ Juden? Waren die zwölf Apostel vielleicht keine Juden?“
Es war der 10. Juni 1940: Elsa und Sandra glaubten trotz allem, dass Mussolini recht hatte, als er behauptete, das nur einige Tausend Tote reichen würden, um sich an den Tisch der Siegreichen zu setzen.
8. September 1943: Elsa und Sandra waren 17 Jahre alt, aber jetzt trennten sich ihre Wege: es reiften zwei genau entgegengesetzte Entscheidungen die Ehre betreffend, die aus den Passionen, die sie seinerzeit gemeinsam hatten. Sandra sammelte die Briefchen ein, die die Deportierten, die in den Viehwägen eingesperrt waren, liegengelassen hatten, dann wurde sie Botin der Partisanen und schließlich, weil sie kämpfen wollte, tauchte sie unter. Im Juli 1944 trafen sich in einer norditalienischen Stadt drei Helferinnen der RSI, Elsa, Margherita und Elvira und teilten Aufgaben (besondere Dienste), Kameradschaft und Freundschaft bis zum gerade vergangenen Tag (25 April 1945).
Während sie ihr Leben mit diesen Erinnerungen Revue passieren ließ. blieb die tragische Nacht von Elsa schlaflos.

2. Kapitel
Margherita, Elvira und Don Enrico

Im Moment der Gefangennahme von Elsa durch die Partisanen schafften es die beiden anderen Helferinnen Margherita und Elvira, indem sie die Blicke der Selben nicht kreuzten, sich glücklicherweise in einer Seitengasse zu verstecken; dort gab es direkt um die Ecke eine offene Kirche. Sie sprangen in die Kirche und versteckten sich in den Beichtstühlen, von Panik ergriffen aus Furcht, verfolgt zu werden, und sie warteten still.
Margherita war es nicht gewohnt, den Erinnerungen und den herzzerreißenden Sehnsüchten davonzulaufen, sie kannte nicht die Muße, sich gehen zu lassen. Sie hatte alles auf dem Altar einer Sache, die dazu bestimmt war zu scheitern – ein Schicksal, von dem sie schon seit langer Zeit wusste – geopfert, weil sie jeden Sinn für Schuld verloren und die reinsten Gefühle unterdrückt hatte, auch das Beste ihrer Weiblichkeit.
Sie hatte den Partisanen Luciano sehr geliebt, aber sie schaffte es nicht, ihn nicht zu betrügen, sie hatte den letzten Brief, den der Junge ihr durch seine Gefängnisaufseher zukommen ließ, gelesen und bewahrte ihn sorgfältig wie ein wertvolles Gut auf.
Er wusste nämlich, dass er von seiner Idealfrau betrogen worden war, er hatte ihr aus dem Vorzimmer des Todes einen tragischen und leidenschaftlichen Brief geschrieben, ein dramatisches und erhabenes Dokument von einer LIEBE (mit Großbuchstaben), die nicht vor jeglichen Hindernissen haltmachte, ohne Grenzen und Bedingungen, rein, exklusiv, allumfassend; eine Liebe, die ihn trotzdem daran hinderte, dem Treueschwur zur Sache und den Kameraden die Treue zu halten.
Margherita hatte ihn jedoch verkauft, um auf der sicheren Seite zu sein und jene kleinen Vorteile und Privilegien aufrechtzuerhalten, die heute für sie nur ein Motiv für Risiko und für Schande geblieben waren.
Im Dunkel des Beichtstuhles und in der Stille konnte Margherita, die nicht die übliche Nüchternheit und die Distanz verlor, sich nur einige Momente auf sich selbst zurückbesinnen.
Es sind für Alle die besonderen Momente, in denen uns einige Sekunden reichen, um unser ganzes Leben Revue passieren zu lassen, durch wenige kurz auftauchende Bilder, manchmal ein bisschen vergilbt wie in alten Fotografien: die Farben ändern sich, es verschwinden viele Einzelheiten, aber die Blicke bleiben unauslöschlich wie gewisse Worte, gewisse Gespräche, gewisse Bemerkungen.
Über jede andere Sache legte sich auf jeden Fall die Erinnerung an die Mutter, mit der sie eine sehr sehr enge Verbindung hatte über die Zeit und den Raum hinaus, sie war ihr geheiligtes Idol, und jene mütterlichen Worte, die in den letzten, exklusiven und unwiederbringlichen Momenten ausgesprochen worden waren, waren für sie Gebote: …. seit eine Bombardierung der Alliierten ihr Haus am Meer der Westküste ihres Siziliens zerstört hat und ihre Familie auslöschte, und der Anlauf auf jene Teile der Außentreppe, um ihr Zimmer im ersten Stock zu erreichen und ihre armseligen Dinge wiederzubekommen, darunter die Stoffpuppe, die ihr von ihrem Vater geschenkt worden war, einem Freiwilligen und wahrscheinlich in Russland vermisst, und der Lauf zu einem Militär-Lazarett-Feld-Krankenhaus, um beim letzten Atemzug der Mutter dabei zu sein, die schwer von Bomben verletzt worden war, und der Abschied der Mutter: „Sei stark, kämpfe gegen Alle, wenn es nötig ist, ich werde immer bei dir sein“, und die Schreie und die verzweifelten Läufe am Meeresufer, jene tiefe Angst, die dich unfähig zu machen scheint, sie nimmt dir jeglichen Rhythmus des Alltags, die Einsamkeit, die wie Eis in jeden Teil ihres Körpers kroch, und dann die Flucht nach Norden, vielleicht, um inzwischen die entfernten Verwandten in Reggio Emilia zu erreichen, und dann, die Toskana, die Emilia, die Lombardei …
Die Erinnerung wurde von der Stimme Elviras unterbrochen. Elvira hatte zuerst aus ihrem Beichtstuhl herausgeschaut, dann ging sie hinaus und kam zu ihrer Freundin herüber: „Margherita, hör mal, Orgelmusik und dort, siehst du, hinter dem Hochaltarraum ist ein Licht … Wir bitten um Hilfe und Aufnahme: wir sagen einfach, dass wir Studentinnen sind …“ Margherita nahm ihren Rucksack und näherte sich zusammen mit Elvira diesem Licht, das einen Pinselstrich von Farbe auf das hagere Gesicht eines kleinen Priesters, der eine Brille trug, warf. Dieser tippte auf einer Tastatur und schien die Anwesenheit der beiden nicht zu bemerken. Er trug einen leicht schmutzigen und geflickten Talar. Elvira hatte diese Kirche vergessen, aber nicht diesen „armen kleinen Priester“ (Worte, die seinerzeit eher mit Spott als aus Mitleid gesagt wurden): sie erkannte ihn sofort und sie sah ihn in der Mitte jenes leeren Zimmers in der Kommandantur sitzen, als er sich den Befragungen eines Wehrmachtsführers unterziehen musste wegen der Anschuldigungen, die sich gegen ihn richteten, jene „erbärmlichen Juden“ versteckt zu haben, die der Bischof ihm anvertraut hatte, in Erwartung der Reise, die sie über die Gotenstellung bringen sollte.
Es war ein Sonntag im November 1944 und Elvira sammelte in jenem Zimmer des deutschen Kommandanten die Früchte seiner Denunzierung: sie hatte Don Enrico kontaktiert, damit er dem „schwerkranken Vater“ die letzte Ölung verabreiche, aber es handelte sich um eine angezettelte Falle, um ihn zu verhaften und ihn Folter und Befragungen zu unterziehen. In der Zwischenzeit wurde jede Ecke der Kirche und des Pfarrhauses durchsucht und von der faschistischen Polizei durcheinander gebracht in der Hoffnung, versteckte Juden zu finden.
Bevor er Elvira mit der Abreise nachfolgte, hatte Don Enrico eine Vorahnung oder eine göttliche Vorsehung und hatte Frau Beatrice, seine Haushälterin, mit einem dramatischen und verschwörerischen Blick eindringlich angeschaut. Diese ahnte, was der Priester ihr mitteilen wollte: sie ließ sofort die komplette jüdische Familie, die sich im Pfarrhaus versteckt gehalten hatte, herauskommen und brachte sie zum Haus des Bischofs, wo sie im Untergeschoss eine zeitweilige Unterkunft und Schutz fanden. Don Enrico hatte die beiden Frauen durch die Glasscheibe eines Möbelstückes, die das Bild von Elvira und dahinter auch das von Margherita wiederspiegelte, schon hereinkommen sehen und hatte Elvira wiedererkannt: „Meine Mädchen, kommt, der Herr vergisst Niemanden seiner Kinder, vor allem nicht in den Momenten der Prüfung und der Verzagtheit; er vergibt euch und beherbergt euch in seinem Haus.“ Er stand von der Bank auf und ging Elvira umarmen: in seinem Gesicht war nicht die Spur von Hass, von Groll oder von irgendeinem Ärgernis, es war ein strahlendes und heiteres Gesicht, als hätte er eine Freundin umarmt und war dennoch ihr möglicher Peiniger gewesen. Dann drückte er die Hand von Margherita. Er begleitete sie zu Frau Beatrice, die, als sie Elvira sah, zusammenzuckte und murmelte:
„Aber Don Enrico … ich verstehe nicht … jetzt müssen wir auch sie aufnehmen, nach all dem, was gewesen war …“. „Auf, auf“, fuhr Don Enrico fort, „du musst Kleidung finden, die für diesen Ort besser passt als diese Uniformen, und dann werden wir eine Möglichkeit finden, sie aus der Stadt herauszubringen.“ „Die Anhänger von Garibaldi machen keine Scherze … Das Wenigste, was du bei ihnen verlieren kannst,“ sagte er an Elvira gewandt, „sind deine wundervollen Haare.“
Elvira war gerührt und bestürzt, besser gesagt beeindruckt von der Anwandlung christlicher Nächstenliebe des Priesters: sein die Grenze überschreitendes Ego und sein stolzer Blick waren nicht mehr zu finden und wiederzuerkennen. Frau Beatrice stimmte demütig zu den Beiden zu helfen, aber sie beobachtete mit besonderem Interesse die stumme Margherita, mit ihrer eisigen Miene, mit ihrer schroffen Art, ungebändigt und ungezähmt, der erhabene Adler … und sie war nur 22 Jahre alt. „Sie ist ein Monster an Überheblichkeit,“ vertraute sie Don Enrico an.
Die Nacht zwischen dem 25. und dem 26. April verlief heiter für die beiden Mädchen im Pfarrhaus von Don Enrico. Am Morgen danach feierte der Priester die Messe in einer kleinen Kapelle im ersten Stock des Pfarrhauses, wo Elvira beichten konnte und auch das Abendmahl empfing: ihr schien es, als würde etwas sehr Ähnliches wiederaufleben, wie bei ihrer Erstkommunion auf dem Kiesbett des Flusses Reno in einer kleinen Kirche zwischen viel Grün und einem ländlichen Fest im weit zurückliegenden Jahr 1933.
Damals trug sie ein weißes Kleid und auf dem Kopf eine Mimosenkrone: sie erinnerte sich an das alte Foto zusammen mit ihrer besten Freundin Elia, mit ihren häufigen Brillen und der Zahnspange, scheu und strebsam, immer gebeugt über die Bücher, während sie, Elvira, nur an die männlichen Klassenkameraden der Grundschule dachte, die ihr mit Blicken und Bemerkungen schmeichelten. Sie ging mit 18 Jahren weg, um Helferin zu werden, gegen den Ratschlag und den Willen der Eltern, die sich noch nicht damit abgefunden hatten, dass sie ihren Sohn, einen Soldaten in Ostafrika, verloren hatten: mit ihrem Ideen- und Illusionsreichtum glaubte sie an Wunder und verachtete den gesunden Menschenverstand als ein Zeichen der Schwäche. Unnachgiebig, wie die meisten jungen Leute, war sie manchmal unfähig, die Kompromisse zu verstehen, aus denen das Leben bestand und intolerant gegen diejenigen, die auf Grund des Alters und der Erfahrung Schwierigkeiten in ihren Plänen sahen, und sie goss Wasser auf ihre Passionen. Sie warf den gleichen Kommandantinnen des Hilfsdienstes eine klösterliche Auffassung der Einrichtung vor, die die Mädchen davon abhielt, an die Front zu gehen, um in der Nähe der Soldaten zu sein und mit ihnen Freud und Leid zu teilen, wie bewaffnete Rot-Kreuz-Mitarbeiterinnen oder einfach Kämpferinnen.
Elvira hatte niemals vor jemandem geheim gehalten, dass der Anreiz ihrer Tätigkeit und ihrer Anwesenheit in der S.A.F. (weiblicher Hilfsdienst) der Glaube an den Faschismus und die Ergebenheit vor den Männern, denen sie die Wunden und das Leid lindern wollte, indem sie jedes Merkmal ihrer Weiblichkeit nutzte: sie war sehr schön, mit einem kurvenreichen, jugendlichen und schlanken Körper, und sie hatte elegante und vornehme Umgangsformen: sie schien für die Liebe gemacht.
Als die Kameraden im Chor sangen: „Die Frauen sind uns nicht mehr wohlgesonnen, weil wir Schwarzhemden sind!“ war es üblich, auszurufen: „Wie albern … wir sind wir, oder nicht?“ Alle waren begeistert von Elvira, alle brannten für das Gleiche, vom Sex bis zum Faschismus, vom Faschismus bis zum Sex.
Die Militäruniform zu tragen war kein Opfer, es war keine Art Keuschheitsgürtel, auch wenn von den faschistischen Helferinnen eine strenge Disziplin verlangt wurde: es war ihnen verboten zu rauchen, Lippenstift zu benutzen, sei es in Uniform oder in bürgerlicher Kleidung. Die Uniform der Helferinnen war einfach und schlicht, wie übrigens auch der Stoff der grau-grünen Uniform der männlichen Soldaten, mit einem Rock, der genau 4 Zentimeter unterhalb des Knies endete, das Schwert auf dem Kragenspiegel, und auf der Baskenmütze eine gestickte rote Flamme. Ein grober Stoff und Kleidung mit einem Schnitt gegen jede Versuchung. Ein zweideutiger Blick auf eine Kameradin konnte einen in die Strafkammer bringen.
Keine Lippenstifte, keine Femmes Fatales, keine aufregenden Liebschaften; aber gute Schwestern der Soldaten: das war die Regel, an die sich Elvira überhaupt nicht halten konnte. Die Gefühls- und Leidenschaftsanwandlungen von Elvira gehörten jedoch nicht zu Margherita, reservierter und weiser, oft kopflastig: sie schaffte es niemals, die beste Freundin voll und ganz davon zu überzeugen, dass das Aufsuchen der Risikozonen aus irgendeinem Grund die Helferinnen in große Gefahr durch die im Wald versteckten Partisanen brachte, und nun gab es keinen Ausweg: es war leichter einen Faschisten zu retten als eine von der S.A.F. Tatsächlich war bekannt, dass viele Mädchen, auch schon im Alter von 17 oder 18 Jahren, die von den Partisanen gefangen genommen worden waren, auf grausame Weise umgebracht wurden, nach Folter, Vergewaltigung und Misshandlung, und nachdem sie nackt auf und ab laufen mussten, mit komplett abgeschnittenen Haaren, zwischen Reihen von hemmungslosen Menschen.
Margherita war besonders fürsorglich im Hinblick auf Elvira: es waren nicht nur die zwei Jahre, die sie älter war, sondern auch die Lebenserfahrung und der hervorstechende Charakter. Es handelte sich auch um eine kaum unterdrückte körperliche Attraktivität, die Elvira, enthemmt und kokett, gegenüber jenem trampelnden Hirschkalb erahnte. So nährte sie ihre sexuellen Fantasien und nutzte sie oft, um von der Freundin leichter die Billigung und die Einwilligung zu erhalten, wenn einige ihre Kapriolen erfüllt werden sollten.
Die bisexuelle Margherita hatte dennoch immer gedacht, dass der weibliche Körper schöner war als der männliche. Sie zog dessen Formen, dessen Rundungen, dessen Sanftheit vor. Aber sie hatte sich lange geweigert, ihn sexuell anziehend zu finden. Im Übrigen war sie mit einer ganzen Menge Männern zusammen gewesen, von denen Luciano der Attraktivste war. Die anderen waren Abenteuer ohne Bedeutung oder Mittel zum Zweck. Sie ging mit ihnen ins Bett, um es zu machen wie alle Anderen und manchmal gab sie auch vor, es würde ihr gefallen. In Wirklichkeit versuchte sie vor allem, sich selbst zu überzeugen. Momentan lebte sie noch nicht vollständig in ihren Überzeugungen. Ihr Körper sagte ja, ihr Kopf aber sagte noch nein. Sie hatte den entscheidenden Schritt noch nicht gemacht. Sie hatte noch mit Niemandem darüber gesprochen und war noch nicht bereit. Es ist schwierig, sich einzugestehen, dass man sich jahrelang geirrt hat. Das erste Mal träumte sie von etwas Wunderbarem, etwas Magischem. Also wartete sie …
Tatsächlich ließ Margherita Elvira nicht so weit gehen: keinerlei Annäherung, wenn man von zarten platonischen Umarmungen und sanfter Zärtlichkeit absah.
Und weil die beste Zärtlichkeit die ist, die auch den Geist berührt, dachte Margherita auch daran, während sie den Körper von Elvira liebkoste, sie auch mit Worten zu umschmeicheln. Sie sagte ihr, dass sie schön sei, dass sie ihr gefalle, und beim Sprechen vervielfachte sich die Wirkung der zärtlichen Berührungen. Zwei unterschiedliche, aber sich ergänzende Persönlichkeiten: die Eine eine weichherzige Träumerin, die Andere eine ungezähmte Bändigerin, auch mit Worten und mit der Kraft ihres Blickes.
Der ganze Donnerstag, der 26. April, wurde in einer vergleichsweise heiteren Atmosphäre verbracht: durch die geschlossenen Fensterläden des ersten Stockwerkes des Pfarrhauses drangen Schreie, Geräusche und Lärm von den Straßen herauf, die so laut wurden, als wollten sie das ganze Zimmer ausfüllen, das die Mädchen beherbergte, und die Scheiben der Fenster klirrten. Dann entfernte sich alles, und es blieb nur ein Zeichen in der Ferne. Gegen Abend brachte Don Enrico, als er vom Bischofspalast zurückkam, die neuesten Nachrichten mit: Die schwarze Brigade, die sich in einem Gebäude mit den Extremverteidigern verbarrikadiert hatte, hatte sich nach einer Nacht des Kampfes ergeben und das Komitee der Nationalen Befreiung (CLN) hatte die Macht übernommen. Es waren etliche Absperrungen auf den Straßen eingerichtet worden, und man sprach von Schnellexekutionen von wirklichen oder angeblichen Faschisten. Man musste abwarten, bis sich die Anspannung etwas legte, und die Ereignisse lieferten einige nützliche Hinweise für das weitere Schicksal der Mädchen. Man hätte keinerlei Neuigkeiten von Mussolini und seinen Regierungsmitgliedern gehabt, wenn der Bischof nicht etwas gewusst hätte vom Treffen des Führers mit dem Kardinal Ildefonso Schuster, dem Erzbischof von Mailand, und den Vertretern der CLNAI, dem Komitee der Nationalen Befreiung von Oberitalien.
Freitag, der 27. April, war ein dramatischer Tag. Margherita wurde durch Geschrei und Schüsse aufgeweckt und sie näherte sich dem Fenster. Sie sah sehr gut eine sehr dramatische und grauenhafte Szene: zwei kahlgeschorene Mädchen, den Kopf übersät mit Bleimenninge und am Hals das Schild mit der Aufschrift: „Hure der Deutschen“, waren entkleidet worden und wurden auf der Straße mitten durch eine begeisterte Menge geführt, die sie mit Schimpfwörtern und unüberlegten Sätzen anfuhr.
Sie wurden dann auf einen Lastwagen geladen: das Lynchen wurde vermieden, aber ihr Schicksal war wahrscheinlich schon besiegelt. Am Nachmittag teilte Frau Beatrice mit, sie habe gehört, dass Mussolini auf der Flucht in einem Dorf am Comer See gefangengenommen worden war, während er sich in einem Lastwagen als deutscher Soldat verkleidet versteckt hatte, und sie machte ihre Kommentare dazu. Schließlich endete sie mit einem Sprichwort wie: „Wie du mir, so ich dir“ oder „Wer sich in Gefahr begibt …“ und so weiter.
Margherita war erst überrascht von dieser Neuigkeit, dann erschüttert: so vernünftig sie war, fehlte ihr doch nicht eine gewisse Ader für Idealismus. Sie glaubte wirklich, Mussolini hätte sich weder der Würde eines „schönen Todes“ entziehen können noch dürfen, vielleicht im Zuge eines verzweifelten Widerstandes im „Ridotto Valtellina“, von dem er viel in der Föderation gesprochen hatte.
Elvira war im wahrsten Sinne des Wortes bestürzt über das, was sie gesehen und erfahren hatte, und jetzt stützte sie sich bei allen Beurteilungen und Entscheidungen auf Margherita. Sie beobachtete sie, sie hörte ihr zu und suchte jede Antwort in ihr. Im Grunde hatte diese Abhängigkeit immer ihr Verhältnis bestimmt, aber Elvira verpasste niemals, sich selbst positiv mit jener instinktiven und intuitiven Lebenskraft und Lebhaftigkeit auszudrücken, die ihre Freundschaft belebte. Jetzt war alles ausgelöscht: sie war der Schatten von Margherita geworden, die diese neue Führungsverantwortung bemerkte.
Die Mädchen bekamen ein altes Radio, mit dem Don Enrico oft Radio London und den Radiosender des Vatikan empfing, zur Verfügung gestellt, und den ganzen Samstag, den 28. April, versuchten sie, es auf dieses und jenes einzustellen, um Nachrichten zu erhalten, bis gegen 9 Uhr am Morgen des 29. April, einem Sonntag, Radio Milano Libera in wenigen Worten die Nachricht verbreitete, dass Mussolini hingerichtet worden war, während am darauffolgenden Tag wiederholt eine Mitteilung der CLN, dem Komitee der Nationalen Befreiung, gesendet wurde, nach der die Vollstreckung der Todesstrafe an Mussolini und seinen Ministern die notwendige Schlussfolgerung einer geschichtlichen Phase und die Einleitung der Wiedergeburt Italiens war.
Am Montag Nachmittag war den Mädchen der Besuch von Don Enricos Vater angekündigt worden: einem alten beliebten Anhänger von Luigi Sturzo, Gymnasiallehrer, der niemals das Parteibuch der Nationalistisch-Faschistischen Partei nehmen wollte, ganz sicher ein Antifaschist der ersten Stunde, aber es war kein Grund zur Besorgnis. Im Gegenteil: Professor Luigi war ein höflicher und interessanter Gesprächspartner gewesen.
Margherita hatte nämlich nach den im Radio verbreiteten Nachrichten große Lust zu sprechen und sich abzureagieren, vor allem wollte sie erklären, welche Art von Erfahrung und Berufung jene von Helferinnen im Allgemeinen gewesen war, ganz abgesehen von der persönlichen Entscheidung, die überhaupt nicht dem Modell der beruflichen Reinheit, die sie selbst bei vielen ihrer Kameradinnen vorgefunden hatte, entsprach.
Papà Luigi war ein wirklicher Gentleman, er grüßte sie warmherzig und mit großer Ritterlichkeit, er machte ihr Komplimente wegen ihres Aussehens und interessierte sich für ihre Probleme und ihr Leben gleichermaßen. Beide öffneten ihm ihr Herz und ihre Erinnerungen, zumindest jene Dinge und Fakten, die zu erzählen angebracht war.
Dann auf die Frage des Professors, was denn ihre Motivation und die psychologischen Mechanismen waren, die am Anfang einer so starken und tragischen Wahl für eine Frau standen, nämlich der, sich freiwillig in ein Kriegsheer zu melden und dazu noch in einem Bürgerkrieg, zwang sich Margherita, die von den beiden sicher die Intellektuelle war (sie hatte nämlich das Lehrerdiplom erlangt und hatte sich auch für Literaturwissenschaften an der Universität eingeschrieben), sich von ihrer schönsten Seite zu zeigen, um die Werte, die ihrer Meinung nach die Aufgabe einer Helferin charakterisierten, zu erklären und verdeutlichen.
Aus ihren Worten erkannte man die Wut und die Enttäuschung über eine faschistische Hierarchie auf Zentral- und Randebene, die alle Männer und Frauen ihrem Schicksal überließ. Sie waren ausgezogen, Gestandene und sehr Junge, um einfach und spontan ihre Hilfe anzubieten, eben wie Faschistinnen und wie Frauen; sie waren ausgezogen um jeden Preis und weigerten sich „in jenem privilegierten Limbus weiterzuleben, unpersönlich, mondän, unpolitisch, gleichgültig, in dem die bestehende Bürgermoral auch weiterhin die Frau verbannen zu wollen schien.“
Der Professor fragte Margherita, ob die faschistischen Frauen, wenn sie Aufgaben ähnlich denen der Männer ausführten, an irgendeine Emanzipation bezüglich der Gleichstellung der Geschlechter gedacht hätten, und Margherita antwortete, das es keine snobistische oder antagonistische Verhaltensweise von sexueller oder kultureller Revolte gewesen war, oder vielleicht war es das in gewissem Maße nur für manche, aber für Alle war es eine moralische und ideologische Kraft, eine antagonistische Revanche gegenüber der Faulheit und der moralischen Untätigkeit, der Undiszipliniertheit, der Kleinlichkeit und der Feigheit dieser Männer.
Der Professor fragte sie noch, ob sie Widerständen oder Anpassungsschwierigkeiten seitens des starken Geschlechts begegnet seien und wie sie auf die allgemeinen Vorurteile gegenüber Frauen reagiert hätten. „Es war in der Tat bekannt“, fügte er hinzu, „dass der General Rodolfo Graziani zu sagen pflegte, dass in den Kasernen der Platz der Frauen nur gerechtfertigt werden konnte, wenn es sich um Prostituierte handelte…“
Margherita antwortete, dass die Helferinnen es verstanden haben, auf die feindseligen und ironischen Gesichter zu pfeifen, zu oft eingeschlossen in einem Schweigen aus Mitleid oder aus Misstrauen. Um den sehr harten Überprüfungen und den nicht wenigen Entbehrungen zu widerstehen, verwirklichten sie ihre angeborene und typisch weibliche physische und moralische Leidensfähigkeit; nur mit ihrer unbekümmerten Miene und Lebendigkeit leisteten sie in Demut und Ruhe wertvolle und zuweilen hoffnungslose Dienste, einschließlich jener zu lächeln und die Kraft zu finden, auch in den tragischsten Stunden andere zum Lächeln zu bringen.
Dann packte der Professor, wie man zu sagen pflegte, „den Stier bei den Hörnern“ und …: „Aber wie habt ihr all diesen Elan und diesen euren jugendlichen Überschwang ausrichten können zur Unterstützung einer so perversen und anormalen Sache: ein diktatorisches Regime, das sich der Welt bemächtigen wollte, das aus dem Rassismus eine richtige Religion gemacht hatte und aus dem Antisemitismus die Flagge. Wie konntet ihr nicht wissen von den Vernichtungslagern, der Gemetzel, die in ganz Europa und in Italien von den Deutschen und von den Faschisten ausgeführt wurden … Die Frauen, die wie Sie, wie ihr mit den Nazis zusammenarbeiteten, wussten sehr gut, was bei den Säuberungsaktionen, in den Gefängnissen, bei den Verhören passierte, und sie wussten auch von den Deportationen.“
Margherita unterbrach ihn, nüchtern, kalt, kopflastig und zutiefst niederträchtig: „Wir haben die falsche Sache gewählt, als es viel bequemer gewesen wäre, sich auf die „richtige“ einzulassen … meinen Sie das? Ich könnte Ihnen antworten, dass wir die die zwingende Pflicht, die Angst und die Leidenschaft, die Ehre unseres Vaterlandes zu retten, verspürten. Und es war leicht sich davon zu überzeugen durch die Erziehung und die zuteil gewordene politische Bildung und die Staatsbürgerkunde: es reichte dieses und der Rest war ziemlich bekannt, aber vernachlässigbar, irrelevant für die Zwecke unserer Entscheidung; im Gegenteil, es durfte uns nicht interessieren. Was die Juden angeht, existierte unter der Allgemeinheit der Soldaten der RSI, die ich kennengelernt habe, die jüdische Frage einfach nicht, und in den Deutschen sahen wir nicht die Nazis, sondern einfach unsere Verbündeten. Der von den Deutschen geführte Krieg, wie in jedem anderen Krieg ohne Ausnahme, bringt Gräueltaten mit sich, die kein Monopol der Nazis sind, und was Italien betrifft, waren die wirklichen Eindringlinge die Angloamerikaner, nicht die Deutschen.“
Der Professor antwortete: „Ihr habt mit den Deutschen zusammengearbeitet, weil ihr nicht „verraten“ habt und daher „besser“ wart als die anderen Männer und Frauen. Eure Begründung eines starken Schamgefühls für den italienischen „Verrat“ wird paradoxerweise gerechtfertigt durch viele andere Formen von Verrat und Unterdrückung. In der RSI gab es für euch nicht nur die Begeisterung, die durch Ideale von wirklichem oder scheinbarem Wert angestoßen wurde, sondern auch alte Säulenheilige des Regimes, Kriegsverbrecher (was das betrifft, was uns die versprengten Soldaten, die vom Balkan zurückgekehrt waren, erzählten und das, was man weiß, was in den Ex-Kolonien gemacht worden war), Opportunisten, Anwärter auf die Rückkehr der gewaltsamen und „sozialen“ Ursprünge des Faschismus, bürokratische Apparate und Unterdrückungsnachfolger des zwanzigjährigen Regimes, ebenso wie Personen, die ein doppeltes Spiel spielten: im Großen und Ganzen eine oft verschiedenartige und widersprüchliche Vielschichtigkeit von Bestandteilen und nicht nur der Idealisten.
Sie identifiziert das Heimatland mit dem Faschismus und seinem Krieg; die stärkste Motivation für eure Wahl scheint die Ehre zu sein, gegen den monarchischen Verrat von Badoglio. Aber das Heimatland ist nicht gleichzusetzen mit dem Faschismus, und vom Vaterland und der Ehre, von Männern und Frauen, auch euren Alters, von Jungen und Mädchen, sind auch ganz andere Interpretationen gegeben worden, durch die antiethische Begründungen und absolut entgegengesetzte Entscheidungen Gestalt angenommen haben.
Noch weniger überzeugt mich Ihre Behauptung, dass zwischen den Personalien der Aktivisten der RSI, die Sie kennengelernt haben, eine Judenfrage einfach nicht existierte: Wie können Sie neben der antijüdischen Politik, die nunmehr seit 7 Jahren vom faschistischen Regime ausgeübt wird, die Charta von Verona, nach der „die Zugehörigen der jüdischen Rasse Fremde sind und während dieses Krieges zur feindlichen Nation gehören“, nicht beachten und warum tun Sie so, als wüssten Sie nichts von der systematischen Jagd auf die Juden, die die Deutschen mit Hilfe der Faschisten ausgelöst haben?
Was Ihre Behauptung betrifft, dass Sie in den Deutschen nicht die Nazis gesehen haben, sondern lediglich Ihre Alliierten, genügt, um an die überspannte Einklang in der Ideologie zwischen Faschismus und Nationalsozialismus zu denken, die der Zusammenhalt der Allianz war, der der republikanische Faschismus treu bleiben wollte.“
„Aber dann“, unterbrach Margherita, „wer hat letztendlich die Sanktionen auf das faschistische Italien verhängt, wer hat den Krieg gegen die Truppen der Achse vorbereitet, wer war andauernd für das Ende des Verrats und der militärischen Niederlage aktiv, wenn nicht die jüdischen Freimaurer? Wie groß war der Anteil des internationalen Judentums am militärischen Erfolg der Demoplutokratie des Westens? Ja, ich behaupte das ohne Zögern, genauso wie ich mein Missfallen gegenüber der Verräter des 25. Juli 1943 verkünde.“
Schließlich zog sie ihre persönlichen Schlüsse: „Wie haben einfach das gemacht, was wir für unsere Pflicht hielten, und ich glaube, das reicht. Die Rechtschaffenheit berücksichtigt die Absichten und die besondere Art des Handelns, und es ist ungerecht, moralische Verdienste oder Vergehen nicht der Basis des Verhaltens und der Redlichkeit eines jeden zuzuschreiben, sondern der Seite, für die man Partei ergreift, was dann bedeutet, dass das die Seite der Verlierer oder der Gewinner ist.
Sie beendete ihre Rede, indem sie mit Nachdruck behauptete, dass die Wahl, die von ihr getroffen worden war, gerechtfertigt war, so sehr, dass sie sie ohne Zögern wieder treffen würde.
Der Professor ergriff wieder das Wort: „Die Redlichkeit ist sicherlich ein notwendiges Element, damit ein Verhalten als moralisch gewertet werden kann. Aber es ist nicht ausreichend. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Hitler auch redlich war, als er den Krieg anfing und als er die Vernichtung der Juden entschied, mit einem Verhalten, das genau zu seinen tiefsten Überzeugungen passte und dazu, was er als seine Pflicht ansah. Die in Teilen gleiche Rede kann für die Rechtschaffenheit der Absichten gereichen, seinerseits zweifellos unumgänglich. Aber das Wort „Rechtschaffenheit“ kann zwei unterschiedliche Bedeutungen haben. Es kann die Konsequenz ausdrücken, mit der man an die Redlichkeit glaubt, und so ist es also wenig mehr als eine Tautologie; oder es beinhaltet einen unausgesprochenen Verweis auf den Inhalt der Absichten, und also muss die Frage gestellt werden: Rechtschaffenheit auf was bezogen? Um zu antworten muss das Urteilsvermögen dahingestellt werden und die Absichten müssen mit den Ergebnissen verglichen werden, und dann auch mit den angewendeten Verhaltensweisen, um sie zu umzusetzen. Die Ergebnisse – das wissen wir sehr gut – können auf die Wahrheit überprüft werden, indem man die Absichten wenig oder überhaupt nicht einbezieht; und hier ist der am schwierigsten zu lösende Knoten, um sowohl die Handlungen der Einzelnen als auch die der Gemeinschaft zu rechtfertigen, um sowohl die moralische als auch die geschichtliche Rechtfertigung auszudrücken.“
„Was ging und geht Ihnen durch den Kopf und was werden Sie denken und fühlen, wenn Sie irgendwann in Ihre Häuser und zu Ihren Familien zurückkehren?“
Der Professor wurde Margherita gegenüber noch deutlicher: die Gewalt, der Hass und die Einstellung zum Racheakt in Form eines Bruderkrieges unter den Italienern wurde tatsächlich vom republikanischen Faschismus und von der R.S.I. ab September 1943 eingeführt, das heißt bei der Entstehung der faschistischen Republik: zuvor hatten in der Tat nur der Niedergang des Faschismus und dann der Waffenstillstand und nicht der Wunsch nach Rache die Begeisterung und die Erleichterung wegen des Endes des Regimes und dann wegen des Krieges in Allen entfacht.
Sie wussten das und hatten die intellektuelle Fähigkeit diskriminieren zu können. Als Freiwillige waren Sie, ohne jeglichen mildernden Zwang genauso wie es für die Männer galt, die einberufen worden waren, voll und ganz dafür verantwortlich für Ihre eigene Entscheidung, aus einem Einfall heraus oder aus Bequemlichkeit eine politische Macht und eine Militärallianz unterstützen zu wollen, die die Welt in die Katastrophe geführt hat und die schlimmsten vorstellbaren Folgen, die eingetreten wären, wenn der Nationalfaschismus gesiegt hätte.
Und er schloss: „Ich bitte den Herrgott, dass er Euch rettet vor jedem Racheakt, aber mit dem Eis in Eurem Herzen werdet Ihr Euer unglückseliges Abenteuer bezahlen mit der fürchterlichen Last, weiterleben zu müssen, wenn Euch das Privileg und die Bestrafung vorbehalten bleibt, verschont worden zu sein.
„Um angemessen zu antworten,“ schloss Margherita aufrichtig, „müsste ich, zumindest was mich betrifft, Ihnen zusammen mit vielen anderen Dingen, auch vom Beginn des Lebens in Hunger und Entbehrungen erzählen.“
Der Professor kannte die Rolle und die Handlungen, die die beiden Helferinnen ausgeführt hatten, gut, genauso wie ihre anderen Kameradinnen: sie waren weibliche Spione und Denunziantinnen gewesen, jetzt in Städten und besonders in gewissen Umgebungen der Politik und des Antifaschismus bekannt. Deshalb wurde ihre Gesprächsführung, am Anfang relativ sanft, schonend und entgegenkommend, immer schwerer, und zwar dermaßen schwer, dass der Sohn Don Enrico einschreiten musste, um eine gewisse Mäßigung im Dialog und ein emotionelles Gleichgewicht, das unerlässlich war in diesen Umständen, wiederzuerlangen.
Der Dialog mit dem Professor hatte Margherita nur ein bisschen erschüttert, die jetzt darüber nachdachte, wie sie aus der Stadt gelangen könnte, um zu gehen … aber wohin? Im Übrigen hatte Don Enrico auch davon erzählt, dass Patrouillen der roten Partisanen systematisch Pfarrhäuser und Klöster aufsuchten und inspizierten, wegen des Verdachts, „faschistische Kriminelle“ zu verstecken; früher oder später wären sie gekommen und es wäre besser gewesen, sich aus der Stadt zu entfernen, wo sie übrigens auch leichter erkannt werden konnten. Sie hatte an alles gedacht: vom Bahnhof einer nahegelegenen Stadt fuhren Züge, die voll waren mit den verschiedensten Leuten, nach Mailand, und dort wäre es leichter gewesen, sich weiter zu verstecken (und Don Enrico hatte gewollt, dass die Mädchen sich einige Namen und Adressen einprägten), oder direkt weiterzufahren Richtung Bologna und Toskana. Aber sicherlich hätte es in der Umgebung des Bahnhofes auch Kontrollen gegeben.
Sie konnten sich noch einen Tag dort aufhalten und am nächsten Abend bei Dunkelheit den Marktplatz aufsuchen, wo ein Auto auf sie gewartet hatte, welches von einem Anwalt gefahren wurde, der bis zum übernächsten Tag Mailand erreichen musste. Er war eine höchst vertrauenswürdige Person, ein monarchischer Anhänger Badoglios, der verschiedene Prozesse wegen des Profits des Regimes einleitete in den 45 Tagen zwischen dem 25. Juli und dem 8. September 1943, ein Mann von tiefem katholischen Glauben und gerne in der Umgebung der Bischofskurie gesehen.

Traduzione dall’italiano al tedesco di Gianni Casoni e Christine Konstantinidis

www.tedescotraduzioni.com

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