domenica 17 aprile 2011

Die Ehre und die Passion (II.Teil)

Kapitel 3
Ein Engel für Elsa: Damiano, der weiße Partisan

Am Morgen schien eine warme Sonne auf ihr Gesicht, als sie sich im Schilf versteckte: der Schilf war schon hoch und Elsa hoffte, dass sie sie wirklich vergessen hätten. Die Provvidenza (die Vorsehung) hatte tatsächlich so entschieden: von den Fahrzeugen, die sie auf dem Piazzale gegenüber der riesigen Garage stationiert hatten, war keine Spur mehr zu sehen. Eine lange Karawane war mit ihrer ganzen menschlichen Ladung von Siegern und Besiegten in ein ungewisses Schicksal abgereist. Es war leicht für sie gewesen, schmächtig wie sie war, sich zwischen dem Schilfgras zu verstecken, das in östlicher Richtung die Viehställe begrenzte, und ängstlich und zitternd bis zur Straße zu gelangen. Sie lief, sie lief sehr lange auf grasbewachsenen Wegen auf dem Land, wo keine Reifenspuren oder Abdrücke von Menschen oder Dingen zu sehen waren: es brach erneut die Nacht herein und sie fand ein Eckchen, um sich auszuruhen, ganz zusammengekauert wie ein Kind im Schoß der Mutter. Sie hatte nicht gemerkt, dass sie schon die Staatsstraße erreicht hatte, die nach Mailand führte, und dass sie deshalb bei Tagesanbruch von jedermann, der vorbeikam, gesehen werden konnte.
So wachte sie auf, als ein großgewachsener Junge in Uniform, kraftvoll und sehr schön, wie ein wirklicher Engel vom Himmel geschickt, sie beobachtete und sich langsam neben sie kniete. „Mein Gott“, dachte sie und schrie: „Was willst du von mir?“
„Kleine, was machst du hier, was haben sie dir angetan? Steh auf, fürchte dich nicht: mein Krieg ist zu Ende. Jetzt beginnt die weitaus schwierigere Aufgabe für alle: einen beständigen Frieden zu schaffen.“
Damiano hatte in seinem Jeep eine Decke und wickelte Elsa darin ein. Dann hob er sie hoch und setzte sie auf den Autositz.
„Mein Gott!“ dachte Elsa, diesmal sprachlos, „wie schön du bist!“ Jetzt hatte sie plötzlich vor überhaupt nichts mehr Angst: Instinktiv hatte sie sich, als er sie umarmt und dann in die Decke eingewickelt hatte, vor der ganzen Welt beschützt gefühlt.
Eine Zeitlang sprachen sie nicht, weil Damiano verstand, dass alles, was er sie fragen wollte, ihr wie ein Kreuzverhör erscheinen musste, und sie fuhren mit dem Jeep weg, nachdem der Motor beim Wiederanspringen Probleme verursacht hatte: Tatsächlich war der Treibstoff, der auch einem wichtigen Beamten der Partisanen zur Verfügung stand, eine Art Benzin, das mit Wasser versetzt worden war. Dieses war von den Partisanen beschlagnahmt worden, als eine deutsche Kolonne in Richtung Schweiz geleitet wurde.
Aber wenn Damiano sie anschaute, fühlte sich Elsa, als würde sie in Ohnmacht fallen, wenn er sie anlächelte, schien sie fast zu sterben; wenn er sie nur berührte, schauderte sie.
Elsa war noch nie verliebt außer in die eigenen Träume und Ideale: das sollte wirklich die Verliebtheit sein, so plötzlich, so zum Nutzen gereichend, so unerwartet …?
Es kam der Moment, den Damiano für passend hielt das Eis zu brechen, wie man üblicherweise sagte, aber er wusste nichts davon, was im Kopf und im Herzen des Mädchens vorging, das anders war im Vergleich zu ihm.
Elsa machte im Wesentlichen den typischen Fehler aller Verliebten: jenen, die außergewöhnlichen Erfahrungen, die sie durchlebte, zu verbinden mit der geliebten Person: aber das würde sie dann viel später in einem anderen Zusammenhang von unvorhergesehenen Zusammentreffen merken.
Damiano sagte: „Ich will dir helfen. Auch wenn die Umstände, deine Lage das Ganze ein bisschen schwierig für mich gestalten: weißt du, ich habe einen Bruder, der genau das Gleiche gemacht hatte wie du und der bei der Stürmung einer Kaserne in der Stadt, aus der er stammte, umgebracht wurde.“
„Ich bin ein weißer Partisane, mein Chef ist Enrico Mattei: es gibt auf halbem Weg nach Mailand ein Kloster mit Franziskanernonnen, wo dir geholfen werden kann und du (er spielte auf die Totalrasur der Haare an) wieder normaler aussehen wirst.
„Aber ich will mir dir gehen“, unterbrach ihn Elsa und rang ihm ein Versprechen ab, das Damiano ehrlich gesagt nicht halten konnte und vielleicht auch nicht halten wollte: „Also gut, ich komme zurück, um dich abzuholen.“ Aber er wusste im Grunde seines Herzens, dass es nötig war, in diesem Moment zu lügen.
Die Nonnen hießen Elsa herzlich willkommen. Diese war noch in ihrem zerrissenen Hemd der Uniform, dem Schwert, dem schäbigen Rock, den auf Bänder reduzierten Schuhen: sie blieb dann mit ihm alleine im Besucherzimmer des Klosters, während die Nonnen die Aufnahme organisierten, und sie hätte sich gewünscht, dass die Zeit in diesem Moment für immer angehalten hätte.
Er stand ganz nahe bei ihr und ihr Herz klopfte ihr bis zum Hals.
Wenn er sie geküsst hätte oder wenn sie es gewagt hätte, ihn darum zu bitten, wäre es der schönste Traum ihres Lebens gewesen. Aber als er dann wegging, war das für sie wie das Ende der Welt.
Es vergingen Tage, Wochen, Monate: Elsa erholte sich voll und ganz. Die Nonnen hielten sie mit Informationen über die Ereignisse (das Ende des Führers, die laufenden Verhandlungen, die Überfälle der Roten) auf dem Laufenden. Sie musste sich in Geduld üben, weil sie sich nur in diesem abgelegenen Kloster, das sich auf dem Gipfel des Hügels befand, sicher fühlen konnte: dann, wenn es ungebetenen Besuch gegeben hätte, hätte sie, wie auch diese jüdische Frau, die seit langem versteckt gehalten wurde, das Gewand der Klarissen und den äußerst nützlichen Schleier und Kopfbedeckung anziehen können.
Ester, die jüdische Frau, älter als sie, unterhielt sich sofort eindringlich mit Elsa, die anfing, über diese unbequeme Wahrheit nachzudenken, welche die Rassengesetze für viele gemäßigte Faschisten in gutem Glauben gewesen waren. Letztere sprach von Ruth, ihrer Schulkameradin, die zusammen mit ihrer Familie zu einem Exil oder besser zur Flucht gezwungen worden war: sie wünschte, dass ihr nichts Schlimmes passiert sei, und dachte wieder an Sandra (sie hatte sie niemals vergessen), ihre andere Busenfreundin und Schulkameradin, die nach dem Waffenstillstand des 8. Septembers eine andere Richtung eingeschlagen hatte: sie hatte den Weg der „Rebellin“ eingeschlagen. Aber die Überraschung betreffend jener Letzteren musste noch unerwartet kommen und …
Was Damiano betraf, erwartete Elsa ihn zuversichtlich und bange, sie sprach nur von ihm: wenn sie an ihn dachte, schaffte sie es nicht mehr aufzuhören; sie schrieb immerfort seinen Namen überall hin und konnte es nicht erwarten ihn wiederzusehen.
Im Grunde genommen hatte sie ihn nur weniger als einen Tag gekannt. Die ruhige Oberin hörte ihr zu und lächelte, als Elsa, aufrichtig, offenherzig und ein wenig kindlich, da sie in Liebesdingen unerfahren war, sich an sie wandte: sie schien an ihrer Freude und an ihrer Wut teilzuhaben, aber in ihr war eine seltsame Nachempfindung, was den Reiz des Mannes betraf, der sie nicht gefühllos ließ: es war eine Freundschaft und ein lange währender Besuch gewesen, auch wenn nicht mehr als ein reines Gefühl, eine platonische Verbindung, wo die Triebe systematisch niedergeschlagen und verdrängt wurden in der Stärke einer reinen festen Tugend.
Der Sommer verging, mit seinen unendlichen Tagen zwischen dem intensiven Licht am Morgen und der Glut der Mittagszeit: aber das Feuer, das in Elsa brannte, nahm jeden Tag zu und setzte jetzt die Leidenschaft frei.
Der September kam und Damiano kehrte zurück: für sie war alles ein Gefühlschaos und ein seltsames Gefühl von Glück gepaart mit Schwermut: wie ein unsicherer Teenager, der noch nicht Herr des eigenen Körpers und der eigenen Wünsche war, verspürte sie so etwas wie einen Schlag in den Magen, als sie erneut durch das Fenster ihres Zimmerchens die Gesichtszüge von Damiano erblickte, der eben auf dem Klosterplatz angekommen war, während sein Auto eher aussah wie eine Dampflokomotive, wegen des langen Rauchschweifs, der sich in der Luft verteilte.
Dann schien sie in einigen Momenten im siebten Himmel zu schweben und konnte ihre Gefühle nicht kontrollieren, während eine unendliche Freude in ihr explodierte.

4.Kapitel
Margherita und Elvira: die Reise

Und es kam, dass Margherita und Elvira am Abend gegen 22.30 Uhr das Pfarrhaus mit dem Segen von Don Enrico und dem Aufatmen von Frau Beatrice verließen, die sich versprechen ließ: „Nie mehr Faschisten oder Faschistinnen … wir suchen keine Schwierigkeiten, wir haben schon genug gehabt.“ Und das hatte sie auch zum Professor gesagt: „Überzeugen Sie Ihren Sohn, dass er nichts riskiert, bis auch dieses Gewitter überstanden sein wird.“
Nachdem sie das Tor des Pfarrhauses hinter sich gelassen hatten, machten sie sich furchtsam, aber mit entschiedenem Schritt auf den Weg entlang der dunklen und geräuschlosen Straße: glücklicherweise war dort keine Menschenseele, und das Klack-Klack ihrer Schritte hallte auf dem Pflaster wieder und erzeugte in der Ferne eine Art Echo, das sie in einem fortwährenden Zustand von Wachsamkeit und Herzrasen hielt. Der Weg war nicht zu lang, aber die Zeit verging qualvoll langsam.
Sie waren etwa 200 Meter vom Platz entfernt ohne jemanden getroffen zu haben. Dann, zu ihrer Rechten, in Richtung Marktplatz, hörten sie: „Eh, ihr! Wohin geht ihr?“ Sie drehten sich nicht um und schreckten hoch wie zwei Federn. Sie sprangen, noch gefährlicher, mitten auf die Straße und begannen zu rennen, so schnell wie sie noch nie in ihrem Leben gerannt waren. Sie hörten den schrillen Pfiff von etwas, das sie erreichte und überholte: hinter ihnen wurde das Feuer eröffnet und löste so den Alarm aus. Sie schrien und schossen auf die Verrückte, sobald sie sie zu Gesicht bekamen, während die beiden Mädchen Kilometer fraßen, verfolgt von diesem wütenden Scheibenschießen, welches den Rhythmus dieser rasenden Musik bestimmte. Jetzt fehlten nur noch … noch zwei Querstraßen, dann noch eine: sie erreichten mit schweren Atem das Ende der Straße, sie überquerten ohne langsamer zu laufen den Platz vor einem geschlossenen Tor, sie kletterten wie zwei Schimpansen die Barriere hoch, stützen die Arme auf und sprangen auf der anderen Seite herunter.
Sie versteckten sich hinter einer Hecke im Garten, von dem aus sie weiter hinunter auf die Straße sehen konnten. So konnten sie sehen, ob jemand, der sie verfolgte, sich näherte, aber ein gewisser weit entfernter Lärm hörte auf und es kehrte eine gespenstische Stille ein, die ihnen ungewohnte Schauer bescherte. Obwohl sie die Rolle der Jägerinnen gewohnt waren, waren sie jetzt gut davongekommen in der Rolle des Hasen: es war nicht nötig, erneut zu klettern, um wieder hinauszukommen, weil das Tor sich von innen öffnen ließ und so gingen sie mit ihren umgehängten Rucksäcken hinaus. Sie hielten sich links, dann näherten sie sich rechts der Mauer des Hauses, sie gingen um die Ecke herum und setzten sich wie ein Bolide auf das Auto, das mitten auf dem Platz stand und die Scheinwerfer angeschaltet hatte, um loszufahren. Sie waren fürs Erste gerettet.
Der Rechtsanwalt fragte noch nicht einmal, ob sie wirklich die Personen waren, die er erwartete: er war sich sicher, dass sie es waren, und er sagte ihnen, sie sollten schnell einsteigen, weil es angebracht wäre, das Zentrum der Stadt so bald wie möglich zu verlassen. Und so setzte sich Margherita nach vorne, neben den Fahrer, nachdem sie Elvira auf den Rücksitz gesetzt hatte: jetzt war es sie, Margherita, die an alles dachte, auch an die Bedürfnisse von Elvira, die furchtsam und benommen an ihren Lippen hing und, wie man so sagte, ihr Schatten war. Der Rechtsanwalt sagte, dass er einen Geleitbrief des Provinzausschusses der nationalen Befreiung hatte und dass er, falls sie einem Kontrollposten begegnen würden, hätte er für sie garantiert, indem er sagte, sie wären seine Sekretärin und eine seiner Nichten, immer so, dass niemand ihre wirkliche Identität erkannt hätte. Sonst würde nämlich auch er sich in Schwierigkeiten befinden.
Das Auto fuhr rasch weiter und in den Kurven schienen die sich drehenden Scheinwerfer Schatten zu werfen auf gefährliche Dinge und Personen auf der Lauer: plötzlich, als sie wieder abbogen, befanden sie sich inmitten von vielen Silhouetten in Uniform, die schwankten und sich im Zickzack auf sie zubewegten. Der Rechtsanwalt sah sich gezwungen anzuhalten und das grelle Licht einer Lampe blendete ihn: „Italian miss, segnorine, very nice, very good … come on, come on …“ Es waren amerikanische Soldaten, der Großteil von ihnen betrunken, die alle aus einer Osteria herauskamen, einem dieser auch nach dem Krieg und bis heute typischen norditalienischen Lokale, wo man nichts aß, sondern nur trank, und auch nur Wein.
Sie öffneten die hintere Autotür und einer packte Elvira am Arm, die anfing zu schreien und Margherita um Hilfe bat.
Letztere zog kaltblütig und schnell ihre Pistole aus dem Rucksack, packte den farbigen Soldaten am Kragen seiner Uniform, zog ihn zu sich und hielt ihm die Waffe an den Mund: „Let her go or you are dead!“ Lass sie gehen oder du bist tot!
Sicherlich erschreckte der wilde und dominante Blick von Margherita den Soldaten nicht weniger als ihre Waffe: „Okay, okay…“, sagte der Farbige und zog sich aus dem Innenraum des Autos zurück, nachdem er das Mädchen losgelassen hatte. „Fahren Sie los …“ sagte Margherita zum Rechtsanwalt, der angehalten hatte ohne den Motor auszumachen, „die Anderen werden zur Seite gehen, wenn sie nicht überfahren werden wollen.“ Der Rechtsanwalt gehorchte, auch weil die Pistole auf ihn gerichtet war. Und schon wurde der Weg mit Geschrei und Gestolpere frei. Die Soldaten begannen zu schießen und die Geschosse pfiffen, während sie das fahrende Auto überholten. Bald bemerkten sie, dass hinter ihnen ganz hinten in der langen Straße , nachdem sie mehrere Male abgebogen waren, zwei Scheinwerfer und der Lärm eines Jeeps drohend zu hören waren: sie verfolgten sie immer noch. Aber jetzt befanden sie sich auf der Staatsstraße, die sich auf dem Land verbreiterte, und es war nicht schwierig für den Rechtsanwalt, sie abzuschütteln, indem er in eine Nebenstraße abbog, und von dort aus in noch eine andere, bis jede Spur verloren war. Nachdem die Scheinwerfer ausgeschaltet waren, blieben sie alle stumm und still: die Verlegenheit darüber, was passiert war, und die Unsicherheit über die zu treffenden Entscheidungen gipfelten in der weisen Entscheidung, bis zum Sonnenaufgang im Auto zu bleiben, und sie schliefen ein.
Bei Tagesanbruch öffnete zuerst Margherita die Augen und weckte vorsichtig Elvira und ließ sie wissen, dass sie sich fast unter dem Abhang der Eisenbahn befanden, wo ein Zug angehalten hatte, gezogen von einer Dampflokomotive mit Personen- und Güterwagen, alle gleichermaßen voll mit Leuten, Männern, Frauen, Kindern und einigen abgenutzten Uniformen.
Der Rechtsanwalt schlief noch, und ohne ihn aufzuwecken schlichen sich die beiden Mädchen nach einem Blick des stummen Einverständnisses aus dem Auto heraus und erreichten rennend und unter den Jubelschreien der Leute gerade noch rechtzeitig den Zug, der, nachdem er mitten auf freier Strecke angehalten hatte, schon im Begriff war weiterzufahren.
Jemand reichte ihnen die Hand und half ihnen, auf die Stufen des Wagens hochzusteigen, genau in dem Moment, als die Räder sich schon bewegten und das Fahrgestell auf den Schienen quietschte. Es gab nicht wirklich freie Plätze im Wagen und sie gaben sich damit zufrieden, sich in eine noch freie Ecke auf den Fußboden zu setzen. Sie zogen sofort die Aufmerksamkeit einiger jungen Männer auf sich, besonders angezogen vom Charme und vom besonders verführerischen Blick von Elvira, was Margherita nicht gefiel, und sie flüsterte ihr „Achtung!“ ins Ohr. Als sie unterwegs Viele befragten, erfuhren sie, dass der Zug sich auf dem direkten Weg nach Mailand befand, und so konnte alles gutgehen. Am Bahnhof würde es sicherlich Kontrollen geben, aber zumindest bis zu diesem Moment könnten sie sich ein bisschen erholen. Ein sehr dünner junger Mann, Marco, dessen Blick sich ab und zu mit dem jetzt sehr schüchternen Blick von Elvira traf, fand jedoch Wohlgefallen an Letzterer und erzählte seinem Gesprächspartner seine kürzlich erlebte Geschichte: am 1. Januar 1945, während er weiter oben in der Nähe des Sees in unmittelbarer Nähe der Alpen war, wurde er nahe seines Hauses von den Schwarzen Brigaden eingekreist. Sie hielten ihm eine Pistole an den Rücken und brachten ihn dann weg. Sie verhafteten auch seine Eltern, nachdem sie das Haus angezündet hatten. Sie waren grausam, auch weil sie zwei Tage zuvor in einer Razzia gewaltige Verluste erlitten hatten, und auch ihr faschistische Anführer war umgekommen: eine charismatische aber auch herzlose Persönlichkeit, ein „Marsch auf Rom“. Sie schlugen ihn brutal zusammen, auch auf den Kopf, bevor sie ihn ins Gefängnis steckten. Sie folterten auch seinen Vater und seine Mutter, die 65 beziehungsweise 60 Jahre alt waren. Sie brachten ihn zweimal zum Schießplatz, und er dachte, sie würden ihn erschießen, aber sie beschränkten sich darauf, ihn zu foltern und ihm zu drohen. Zu guter Letzt ließ sein Partisanenanführer fünf ranghohe Faschisten der Gegend gefangen nehmen, dann informierte er die Faschisten, dass er, wenn sie Marco töteten, in die Stadt eine Ladung mit 500 Faschisten schicken würde.
Gegen Ende März wurde er in die Freiheit entlassen, im Austausch gegen Geiseln, und kehrte erschöpft zur Brigade zurück, auf dem oberen Plateau ganz hinten: von 76 Kilogramm magerte er ab auf etwa 40 Kilogramm.
Schließlich, am 5. April, hatten die Partisanen eine wichtige Schlacht gewonnen und jagten die rasend gewordenen Faschisten fort, die eine letzte Massenrazzia versucht hatten, bestärkt von der deutschen und italienischen SS, so dass sie am Ende geschlagen bis über die Eisenbahnbrücke in die Ebene flüchten mussten, ohne sich um die zu Dutzenden im Gebiet zurückbleibenden Toten und Verletzten zu kümmern. Im April gab es in vielen Fabriken der Gegend Streiks. Unterdessen nahmen die Partisanenverbände zu, während der Provinzausschuss der nationalen Befreiung die Kapitulationsverhandlungen schon am 10. Tag einem Prälaten der Bischofskurie anvertraute. Nach dem 25. April wurden Spitzenvertreter der Sozialrepublik verhaftet, während sie versuchten auszureisen, sie wurden zum Tode verurteilt und am 27. April wurden die ersten Urteile des Volksgerichtes vollstreckt. Bald begannen im Schwurgericht die Prozesse gegen alle Kollaborateure. Margherita hörte allem sehr aufmerksam zu und fing wieder an, sich instinktiv um das ein bisschen kokette Verhalten von Elvira, die immer noch im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, Sorgen zu machen, weil das ein mögliches Risiko der Verwicklung darstellte.
Als sie an einem kleinen Bahnhof von Mailand ankamen, hielt der Zug an und ein Trupp von Partisanen, darunter drei Frauen, mit dem roten Tuch um den Hals gebunden und bewaffnet bis zu den Zähnen, stieg in den Wagen vor ihnen und verhaftete einen etwa 60-jährigen Mann, der anfing zu schreien, um gegen die Identität, die sie ihm anhängten, zu protestieren und seine Unschuld zu beteuern.
„Er ist ein Spion, ein Folterer der Partisanen und ein Judendenunziant: er ist verantwortlich für den Tod von vielen Patrioten“, erklärte eine der Partisanenfrauen den sprachlosen und bestürzten Reisenden, die nachfragten, was denn gewesen sei. Margherita näherte sich dem Fenster und sah ihn aus dem Zug aussteigen, unter Beschuss genommen von Fußtritten und Faustschlägen der wütenden Partisanen. Sie ließen ihn alleine abseits stehen und taten fast so, als würden sie ihn vergessen: er versuchte die Flucht und wurde sofort von ungeduldigen Maschinenpistolen kaltgemacht. Sie hatte ihn erkannt, es war Lorenzo, ein Toskaner, er war schon ein Mitarbeiter von Pavolini. Sie blieb erschüttert stehen und dachte laut:“ Was für Feiglinge, sie haben das absichtlich gemacht …“
In diesem Moment erschien in ihrem Wagen eine Partisanin aus der Gruppe mit der Maschinenpistole in der Hand und beobachtete alle ein bisschen, den Blick besonders auf den zwei Mädchen ruhen lassend, ziemlich forschend, aber sie wurde von ihrem Kameraden Luca abgelenkt, der sie rief: „Clara, komm, wir müssen gehen.“ Sie zog sich zurück und verließ den Zug, der wieder Fahrt auf den Hauptbahnhof aufnahm.
Bevor der Zug am Hauptbahnhof anhielt, waren die beiden Mädchen, die langsame Fahrt des Zuges ausnutzend, schon heruntergesprungen und nahmen eilig einen anderen Zug, der gerade im Begriff war abzufahren.
Die Reisenden dieses Zuges waren wirkliche Gespenster, Juden, die bereits in einem italienischen Konzentrationslager interniert waren und darauf warteten, nach Deutschland gebracht zu werden, von ihren faschistischen und deutschen Gefangenenaufsehern im Augenblick der Flucht und der Kapitulation zurückgelassen und dann vom Roten Kreuz unterstützt. Sie wurden nach Bologna geleitet.
Die seelische Auswirkung war furchtbar: es waren richtige Schatten von Männern und Frauen mit ihren ins Leere gehenden Blicken, die Gesichter ausgemergelt und fast nicht anwesend. Elvira, die einfühlsamer und sicherlich weniger betroffen und manchmal ein bisschen gedankenlos aber aufrichtig war, wie es typisch für viele Jugendliche ist, flüsterte Margherita zu: „Und das waren unsere Feinde?“
Margherita hingegen drehte sich zu ihr um, betrachtete sie lange, aber dachte an etwas anderes und machte nicht wirklich einen Kommentar.
Sie fanden einen Platz in einer Ecke des Waggons, sie zogen die Beine an, um eine Position zu finden, die zum Ausruhen geeignet war, während die Anwesenden fortfuhren, sie still zu beobachten.
Dieses Anstarren, manchmal gepaart mit einem Grinsen im Gesicht, das einem Lächeln ähneln sollte, es aber doch nie tat, war etwas sehr Beunruhigendes für Elvira, die ihrer Natur nach ein Schmelztiegel von Gefühlen, Pulsschlägen, Empfindungen und Vorahnungen war: ein wirkliches Babel des Herzens. Margherita war kühler und distanzierter: sofern sie unvorhergesehene oder unvorhersehbare Umstände erreichen oder betreffen könnten, schafften es das Adrenalin, die Begeisterung und die Verwirrung des Gefühls nicht, zumindest nicht oberflächlich, diese Hülle aus Eis und Undurchdringlichkeit anzukratzen, die typisch für ihr Wesen war.
Da es sich um einen besonderen Konvoi handelte, der für die Juden reserviert war, gab es an den Bahnhöfen keine Kontrollen, und die Mädchen konnten mühelos die Stadt Reggio Emilia erreichen, mit dem zu jener Zeit zur Verfügung stehenden Zugverkehr.
Aber hier stiegen die zwei Mädchen auf der entgegengesetzten Seite des Ausganges unter der Bahnsteigüberdachung aus, nachdem sie sich vergewissert hatten, dass es keine Gefahren gab, weil Margherita dachte, sie könnte Hilfe von jenem entfernt Verwandten erhalten, von dem die Mama immer gesprochen hatte und von dem sie die Adresse noch wusste, ein reicher Grundbesitzer, der eine prunkvolle Villa besaß, nicht weit entfernt vom Bahnhof, und auch weil sie unter den vielen stummen und neugierigen Menschen, die keine Fragen stellten, den Rabbiner mit einer Art von Sicherheitsangestelltem hatte tuscheln sehen, ganz bestimmt auf die Anwesenheit der beiden Fremden anspielend.
Nachdem sie die Umfassungsmauer des Bahnhofs überstiegen hatten, liefen sie die Straße entlang, die eine Zeitlang an den Gleisen entlangführte: sie fragten eine Passantin, wie sie jene besagte Straße erreichen konnten und erhielten die weitreichendsten und höflichsten Erklärungen. Als sie die Villa, die sich am Stadtrand an der Grenze des Stadtbereiches befand, erreichten, fanden sie das Eisentor offen, das der Anfang einer langen Zufahrt war, umgeben von einer üppigen Vegetation und von einer langen Reihe von Pinien gesäumt, und sie liefen an das Ende des Weges zur Villa. Alles war ruhig, still, geordnet, deshalb war jener in irgendeinem Verwandtschaftsgrad mit ihr verbundene Onkel (den die Mama während einer Reise nach Sizilien vor dem Krieg kennengelernt hatte) anwesend, oder zumindest war die Villa nicht verlassen, und der Lebensstandard musste ziemlich hoch sein. Diesmal herrschte in Margherita, vielleicht wegen ihrer Müdigkeit, der Instinkt und der äußere Schein vor und nicht die Vorsicht und Vernunft. Sie hätte die Lage sondieren können, indem sie sich in irgendeiner Ecke der Villa versteckt und das Auftauchen von Leuten abgewartet hätte, um sich davon zu überzeugen, dass alles normal war, wie sie erwartet hatte.
Jedoch klingelten sie sofort an der Tür mittels einer Bronzeklingel, die einen lauten Ton von sich gab. Zuerst war absolute Ruhe, dann hörten sie Schritte, die sich der Tür näherten, dann wurde die Tür geöffnet und : „Wer seid ihr? Was wollt ihr?“, rief eine alte Frau aus, in ungehobelter Manier und ein bisschen autoritär, während sie an den Schultern die Läufe von zwei Gewehren spürten, die sie ins Haus schubsten. Sie fanden sich sofort einem bewaffneten Jungen gegenüber, offensichtlich etwa 30 bis 35 Jahre alt, mit einem roten Tuch am Hals, Bart und Militärkappe, und er wiederholte die Frage: „Wer seid ihr?“
Sie hatten keine andere Wahl als einen Teil der Wahrheit zu sagen, und es war nicht die Zeit, sich etwas Anderes auszudenken.
„Diese Villa ist durch den Brigadekommandant beschlagnahmt worden von jenem alten kriminellen Faschisten, der das Volk lange Zeit hungern ließ und in letzter Zeit auch Schwarzhandel mit den Deutschen betrieb: aber er ist bestraft worden, so wie er es verdiente.“
„Wir sind zwei Studentinnen, die aus Bologna hierher geschickt wurden, und hier hat uns eine unserer Cousinen, die für euch als Zimmermädchen arbeitete, gesagt, dass wir euch fragen könnten, ob ihr uns Unterschlupf gewährtet, wenn wir in diese Gegend kommen würden.
Margherita zog es vor, sich mehr einer Proletarierfreundschaft zu rühmen als einer fatalen verwandtschaftlichen Verbindung zu einem faschistischen Großgrundbesitzer. Die alte Frau, die seit langer Zeit Dienst in der Villa versah, schaute sie ein bisschen verblüfft an, weil sie wusste, dass sie nicht die Wahrheit sagte, aber sie schwieg. Der Partisanenkommandant sagte, dass zu viele Leute sich hinter nackten Lügen versteckten, weil Kollaborateure oder Kriminelle, darunter der politische Beauftragte, der im Moment abwesend war, sie bei seiner Rückkehr befragen würde, und jetzt müssten sie in einem Zimmer unter Bewachung mit Waffen warten. Der Wachposten blieb draußen vor der Tür des Zimmers, das im Erdgeschoss der Villa eingerichtet worden war, und es gab auch ein großes Fenster, aber leider auch ein robustes Eisengitter.
Es verging etwa eine Stunde, dann öffnete sich die Tür: der Wachposten der Partisanen erschien und begann, sie verächtlich anzuschnauzen:
„Ihr seid faschistische Huren, auch ihr endet genauso wie die anderen Blutsauger des Volkes. Jedoch, du Blonde, angesichts der Tatsache, dass das dein Beruf ist, könntest freundlich zu mir sein und deine Freundin könnte meinen Kameraden Gianni zufriedenstellen, der hier ist, bereit, seinen Teil zu tun!“ An diesem Punkt hatte Elvira, wie man gewöhnlich sagt, einen „Geistesblitz“ und entschied alleine ohne einen Moment zu zögern; sie hob vielmehr den Rock provokant (sie saß auf dem Fußboden) bis zu den Hüften hoch und zeigte so ihre beiden wunderbaren und wohlgeformten Beine und antwortete: „Aber sicher, warum nicht?“ Und sie warf Margherita einen Blick zu und sagte zu ihr: „Du bist doch auch dabei, oder nicht?“ „Aber sicher“, stimmte Margherita zu, die in der Zwischenzeit, weil sie nicht durchsucht worden waren, den Revolver aus dem Rucksack gezogen hatte. Elvira, schon immer eine perfekte Schauspielerin warf sich (sie hatte sich auch den Busen entblößt) in die Mitte der beiden jungen Männer, die jetzt in der Mitte des Zimmers standen, und umarmte sie alle beide, während diese ihr an den Busen und auch woandershin fassten. Margherita, ohne dass sie es bemerkt hatte, weil sie von Elviras Anmut und Initiative abgelenkt war, hatte beide an ihren Schultern festgehalten, und während Elvira dem jungen Mann zu ihrer Rechten einen furchtbaren Fußtritt in die Genitalien versetzte, verstärkt noch durch die Stiefel, und ihn dadurch dazu brachte, ohnmächtig auf den Boden zu stürzen, hielt Margherita die Pistole an den Rücken des anderen und sagte: „Wenn du versuchst zu sprechen, bist du tot!“, während sie mit der anderen Hand eine Schaufel nahm, die gegen die Wand gelehnt war, und sie ließ sie förmlich auf den Kopf Letzteren herunter krachen, der auf den Boden fiel und das Bewusstsein verlor.
Die Tür war offen und die Waffen der Männer waren verfügbar: sie rannten – das Herz schlug ihnen bis zum Hals – den Flur entlang in die Richtung, die zu einer Tür nach außen führte. Aber als sie gerade dabei waren, die Tür zu öffnen, fühlte Elvira, wie sie jemand am Arm festhielt: „Nein, nein, folgt mir …“. Es war die alte Frau, die sie in das Untergeschoss der Villa führte, und als sie im Keller ankamen, nahm sie einen großen Schlüssel, öffnete eine quietschende Tür, hinter der ein grasbewachsener Feldweg begann, der an einer Mauer entlangführte; am Ende dieser müssten sie hinunterspringen, durch einen Bach waten und dann in Richtung Süden durch die Obstwiesen weiterzulaufen, bis sie die via Emilia nach Modena erreichen würden.
„Gott möge euch beschützen, Mädchen.“
Beide erwiderten den Gruß mit einer schnellen Umarmung und sie entfernten sich mit ihren zwei Maschinenpistolen und den Rucksäcken, während die Pistole, ein Geschenk des Ministers Pavolini, in der Villa zurückgelassen wurde.
Sie fanden Zuflucht in einer Hütte in der Mitte einer Obstwiese und weit entfernt von den Hauptstraßen, und am nächsten Vormittag, sahen sie, nachdem sie sich vorsichtig der via Emilia genähert hatten, einen offenen Lastwagen, der in der Kurve keuchte und der von einer einzigen Person gefahren wurde, einem alten Mann mit einem langen weißen Bart. Sie sprangen auf die Ladefläche, mit den Maschinenpistolen in den Händen, und sie gaben dem Fahrer ein Zeichen anzuhalten: er hielt sofort an, und die beiden Mädchen sagten ihm, sie seien zwei Studentinnen, die vom Landhaus in die Stadt zurückkehren wollten. Und anstatt der Bücher und Stifte hatten sie jene beiden Geräte: „Steigt ruhig ein, wer auch immer ihr seid, ich fürchte nichts mehr, keine Bombardements, Schüsse, Soldaten und Partisanen, ja noch nicht einmal den Tod. Er kann kommen, wann er will, ich bin bereit.“
Der Alte war sehr weise und unbeteiligt: Er hatte vor nichts Angst und wie alle sehr alten Leute dachte er, dass jeden Tag, den die Vorsehung ihm gewährte, im Grunde genommen ein Geschenk war, aber er musste ihn gut nutzen und mit Heiterkeit und Gerechtigkeit einschlafen. Er hatte sie für zwei Partisaninnen gehalten und vertraute sich ihnen an, weil sie keine Waffen brauchten, um dem Hass und der Rache freien Lauf zu lassen.
„Ihr träumt nach dem Faschismus und dem Krieg von einer freien und demokratischen Gesellschaft und wollt, indem ihr richtet, die Vergangenheit auslöschen, aber der Zweck heiligt niemals die Mittel, im Gegenteil, die Mittel nehmen oft den Zweck vorweg, den man erreichen will.“
„Aber wir sind Hilfssoldatinnen von Mussolini …“ unterbrach Elvira, weil sie der Ansicht war, sie hätten die gleichen Grundideen. Der Alte schaute sie mitleidig an und beendete die Unterhaltung: „Gott vergebe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie getan haben…“
Margherita gab mit einem bezeichnenden Blick Elvira zu verstehen, dass sie das missbilligte: sie hätte sich niemals gehen lassen dürfen. Ab diesem Moment gab es keinen Wortwechsel mehr. Als sie in der Umgebung von Modena angekommen waren, gerieten sie, unvorhersehbar nach einer Kurve, in eine Absperrung der kommunistischen Partisanen, ohne dass sie auf irgendeine Art hätten fliehen können. Sie wurden verhaftet und ins nahegelegene Dorf gebracht: während sie sich von der Absperrung entfernten, sahen sie, dass der Lastwagen des alten Mannes durchsucht wurde, und sie dachten, dass man sicherlich die zwei Maschinenpistolen gefunden hatte, die sie im Lastwagen zurückgelassen hatten. Sie wurden in eine Garage zusammen mit elf anderen Helferinnen eingesperrt, die noch in Uniform waren, und bei ihnen waren auch sechs Soldaten der GNR, alle aus dem Norden kommend, die die Reise mit den Helferinnen gemeinsam gemacht hatten.
Als sie den Verhören unterzogen wurden, behaupteten Margherita und Elvira, um sich zu schützen, dass sie Prostituierte seinen, die das Freudenhaus in Reggio Emilia verlassen hatten, um den Soldaten, die dann nichts mehr von ihnen wissen wollten, zu folgen.
Der Chef der Partisanen sagte: „Also gut, um euch kümmern wir uns später!“ Aber sie wurden gezwungen, den anderen Frauen und den Soldaten bis zum Dorfplatz zu folgen, wo sie sich inmitten von Geschrei und Beleidigungen der Menge wiederfanden, die ein Pauschalurteil verlangte.
Sie wurden alle Hand in Hand in einer Reihe vor der Mauer aufgestellt, mit Ausnahme von Margherita und Elvira, die weit abseits geblieben waren, während eine spontan gebildete Einheit sich gegenüber der Verurteilten aufreihte.
An dieser Stelle begann eine der Helferinnen, Adele, laut zu schreien und flehte die „Rächer“ an, ihre Schwester Maria zu retten, die in der Gruppe war, damit diese sich um ihre Mutter kümmern könne, die blind und alleine war. Maria wurde von einem Partisanen ergriffen und zur Seite geschubst.
Sofort nachdem die Einheit das Feuer eröffnete, schrie Maria aus Verzweiflung so laut sie konnte, als sie dennoch die Schwester zusammen mit den anderen hinfallen sah. Um sie zum Schweigen zu bringen, hielt ein Partisan die Maschinenpistole auf sie, um sie auch zu töten. Schließlich, es war eine unwirkliche und erschreckende Szene, passierte es. Die Helferin Anita, die nur Verletzungen davongetragen hatte, erhob sich aus dem blutenden Haufen und bewegte sich vorwärts auf ihre Mörder zu. Ihr wurde der Gnadenschuss gegeben.
Unter den Helferinnen waren auch zwei andere Schwestern, Ida und Bianca. Auch sie waren nur verletzt, und Bianca schrie: „Tötet mich! Tötet mich!“ Während die Partisanen sich darauf vorbereiteten, sie zu töten, warf sich Pater Paolo aus dem nahegelegenen Kapuzinerkloster vor sie. „Nein“, sagte er. „das macht ihr nicht. Sie werden sterben. Geht weg. Ich begleite sie bis zum Ende.“
Die „Rächer“ ließen es zu, dass die drei Unglücklichen in das Kloster geschleppt wurden, auch weil sie abgelenkt waren und damit beschäftigt, den Todeskampf eines Soldaten, der weniger den Schüssen der Peiniger ausgesetzt war und nicht auf der Stelle tot war, in allen Einzelheiten zu genießen. Dieser Soldat jammerte leise und, während er mit den Händen fuchtelte, versuchte er, sich aus den Stricken zu lösen, die ihn mit anderen der Gruppe zusammenhielt, und winselnd rief er Gelächter dessen hervor, der ihn gerade angeschossen hatte, und jetzt fuhr jener fort, ihn mit dumpfen Schlägen, die ihm die Knochen und den Schädel brachen.
Das Abgelenktsein der Partisanen kam unseren Mädchen sehr gelegen: Margherita warf Elvira einen Blick stummen Einverständnisses zu, die immer auf Anhieb die Absichten der Freundin durchschaute, und während die Menge drängelte und sie umgab, verschwanden sie buchstäblich in Mitten der Leute und entfernten sich zuerst langsam und unauffällig, dann, als sie ziemlich weit weg und außerhalb der Ansammlung waren, begannen sie krampfhaft und verzweifelt entlang der Gassen des historischen Zentrums zu rennen, bis sie das mittelalterliche Tor erreichten, das sie hinter sich ließen, dann versteckten sie sich in einem Getreidefeld.
Die Flucht war wirklich ein Wunder, aber es war besser, sich nicht auf zu viel Glück zu verlassen: sie mussten die Reise nach Bologna fortsetzen, entlang unbekannter Strecken auf dem Land. Dabei nutzten sie ab und zu die Hilfe und die Gastfreundschaft von einigen Bauersfamilien. Sie schweiften so einige Tage umher und ernährten sich von Feldfrüchten. Sie rasteten ein bisschen auf den Anhöhen und sahen rechts von ihnen die Stadt Modena, bis sie beim Absteigen in die Ebene ein rosa Häuschen inmitten der Natur erblickten.
Sie liefen die lange Zufahrt entlang, die zum abgelegenen Landhaus führte: Margherita schien es so, als würde sie ihr Geburtshaus in Sizilien wiedersehen, das von den Angloamerikanern bombardiert worden war. Als sie den Dreschplatz erreichten, schien ein alter Bauer und eine junge schwangere Frau sie schon zu erwarten. Eine alte Frau hingegen stand am Fenster: Margherita sah in jener Frau das Bild ihrer verstorbenen Mutter, lächelnd und daher wohlgesonnen.
Elvira sprach zuerst: „Wir möchten einen Happen essen …“
„Kommt ins Haus“, antwortete der alte Mann.
Niemand fragte, wer sie seien und woher sie kämen: vielmehr lud das ältere Paar die Mädchen ein, einige Tage zu bleiben, um sich auszuruhen, während die junge Frau, die im sechsten Monat schwanger war, ihnen ihre Geschichte erzählte.
Assunta, so hieß sie, kam aus Piacenza, wo Mitte April ihr Mann, ein Mitglied der örtlichen CLN, von den Schwarzhelmen verhaftet und hingerichtet worden war. Sie wollte ihre Eltern in Bologna aufsuchen. Als sie einige Tage zuvor zufällig am Bahnhof von Modena angekommen war, spät am Abend, hatte sie Unterkunft in einem nahegelegenen Hotel gesucht, aber diese wurde ihr abgelehnt, weil sie keine Papiere hatte. Unter anderem wurde ihr gesagt, dass jede Nacht die Partisanen vorbeikamen, um die Papiere der Gäste und die Belegung der Zimmer zu kontrollieren, und daher wäre es sehr riskant, sie dort unterkommen zu lassen.
Bis zu diesem Moment war die Schwangerschaft ein gültiger Passierschein, und alle hatten das respektiert und ließen sie gehen. Also übernahm es ein Gast des Hotels, sie zu einer Sammelunterkunft der Franziskanernonnen zu begleiten, die nicht sehr weit weg war, aber auf dem Weg dorthin, im Dunkel der Nacht auf einer schmalen und verlassenen Straße, wurden sie von vier Flegeln überfallen, die den Mann festhielten und die Frau in einem Lieferwagen wegbrachten. Als sie mitten auf dem Land angekommen waren, hatten sie sie wiederholt vergewaltigt und an einer Straßenkreuzung ausgesetzt, nachdem sie ihr auch Fußtritte in den Bauch versetzt hatten.
Deshalb hatte sie Angst, ihr Kind zu verlieren. Sie wurde von jenem Bauern aufgelesen, der sie zu sich nach Hause brachte. Seine Frau kümmerte sich um sie. Margherita und Elvira blieben einige Tage im Bauernhaus, immer darauf wartend, die Reise nach Bologna fortsetzen zu können, bis etwas Tragisches und vollkommen Unerwartetes passierte.
Eines Nachts gegen 23 Uhr sah der Bauer, wie ein Überlandbus voller Leute die Straße entlangfuhr, die von seinem Brunnen aus über die Eisenbahnbrücke führte und in den unbestellten Feldern endete. So wie es schien, waren auch Frauen und Kinder darin, und vor und hinter dem Bus fuhren auf zwei Motorrädern mit Maschinenpistolen bewaffnete Soldaten. Einer von ihnen sah ihn auf dem Dreschplatz und fuhr mit dem Motorrad zu ihm und bat ihn um Schaufeln. Er gab sie ihm, es kamen auch die anderen, um sie abzuholen und sie gingen wieder weg, nachdem sie dem Alten genau ins Gesicht geschaut und ihn mit einer Lampe angestrahlt hatten. Der Überlandbus kehrte nach einer Stunde um und schien leer zu sein; dann kehrte er später nochmal zurück, wieder voll menschlicher Fracht. Am nächsten Tag betraten eine Patrouille von Partisanen, bestehend aus zwei Männern und einer Frau, den Dreschplatz des Bauernhauses. Sie fragten den Bauern nach Wein und wollten in den Keller gehen, wo sich in der Zwischenzeit die zwei Mädchen versteckt hatten, im Glauben, dort sicher zu sein. „Und ihr, was macht ihr hier?“ fragte der Mann, als er die in einer Ecke hinter einem Fass Zusammengekauerten entdeckte.
„Ihr seid Faschistinnen, eh, los, wir bringen euch zur Führung.“ „Aber töten wir doch diese Nutten,“ sagte die Frau. „Nein“, sagte der Mann, „wir nehmen sie mit. Ich bin der, der befiehlt.“ „Aber schau mal, wie du weich wirst: dir gefallen diese Schlampen, welche gefällt dir besser, die blonde oder die dunkle?“ Und sie entblößte ihnen die Brust: „Sie sind gut gebaut, oder? Weißt du, wie viele Syphilis-Erkrankungen sie bei den Schwarzen verursacht haben …“ „Und wenn du versuchst, es mit ihnen zu treiben, hacke ich dir die Augen aus.“ antwortete die Frau mit offensichtlicher Eifersucht. „Also gut“, schloss die Frau, „oh, welche Haare!“ Sie sagte das und glättete zuerst ein bisschen die Haare von Elvira und zog dann heftig daran. „Wir werden dem Friseur Arbeit verschaffen.“ Beim Hinausgehen sahen sie den Alten und sofort herrschten sie ihn an und schubsten ihn gegen die Wand einer Hütte: „Du hast sie versteckt, … eh, … Bereite dich darauf vor zu sterben.“
„Heilige Madonna, helft mir!“ rief der alte Mann.
Aus dem Heuschober kam die schwangere Frau: „Nein, bringt ihn nicht um, er ist ein tüchtiger Mann. Ich bin die Ehefrau eines Partisanenkommandanten und …“ Sie hatte nicht die Zeit, den Satz zu Ende zu sprechen, weil sie von einer Maschinengewehrsalve niedergestreckt wurde, und sie brach zusammen, mit der Hand auf dem Bauch, fast als ob sie das Kind, das sie im Leib hatte, schützen wollte.
Dann rief einer an den Alten gewandt: „Kein Christus mehr, keine Madonnen, keine Heiligen“, und schossen mit der Maschinenpistole auf den Bauern.
Die zwei Mädchen, die mit Fußtritten in ein Auto befördert wurden, sahen die Ehefrau des Bauern an einem der Fenster des Bauernhauses schreien und weinen. „Arme Mama“, dachte Margherita und wieder kam das Bild und die Erinnerung an ihre eigene Mutter in ihr hoch, „sie haben sie mir zweimal umgebracht.“
Als sie am Rathaus angekommen waren, wo gleich nach der Befreiung das örtliche CLN eingesetzt wurde, das als ersten „demokratischen und freiheitlichen“ Akt den Bürgermeister und den Parteisekretär der faschistischen Republikaner mit sofortiger Ausführung desselben zum Tode verurteilt hatte, mussten die zwei Partisanen und die Frau mit ihrer verlockenden Beute bei ihrer Ankunft feststellen, dass die ganze Macht an einen englischen Major und seinem Bataillon übergegangen war, das Besitz vom Dorf ergriffen hatte: die Soldaten hatten auch verschiedene Villen und Palazzi durchsucht, während drei Panzer auf dem Dorfplatz stationiert waren.
Sie konnten nicht darauf verzichten, die beiden Frauen an die Engländer auszuliefern, mit einer gewissen Erleichterung und Befriedigung auf Seiten der Partisanin, ungeduldig wegen der fortwährenden Aufmerksamkeiten ihres Kameraden und Kommandanten in Hinblick auf die beiden Gefangenen.
Die Partisanen waren bestürzt: sie fürchteten auch, dass die Alliierten sie entwaffnen würden und das schürte ihre Wut und verursachte Enttäuschung und Unmut.
Der Major befragte die Mädchen und sicherte ihnen Unversehrtheit zu: für den Fall, dass sie zugegeben hätten, dass sie sich an die „angebliche soziale italienische Republik“ angeschlossen hätten, wären sie in eines der Konzentrationslager für Frauen überführt worden, die in der Toskana, in Coltano, in Casellina oder in Scandicci eingerichtet worden waren, und hätte Sanktionen anderer Art nur dann riskiert, wenn sie schwerer Verbrechen schuldig gesprochen worden wären.
Das drängende Verhör führte am Ende zu Ergebnissen: Elvira gab das Mindeste zu, das sie zugeben konnte und „alles in Erwägung gezogen war es am besten so“ – damit war auch Margherita einverstanden.
Der Major erteilte dem Sergeant Anweisungen, dass die beiden Mädchen „very nice, beautiful girls“ zum Gruppenzentrum, gelegen am Stadtrand von Bologna, begleitet werden sollten.
„I hope to revise it, miss!“ (Ich hoffe, ich kann das revidieren, Fräulein!) – so verabschiedete der Major Elvira in Englisch. Margherita übersetzte ihr den Satz mit einer gewissen Genugtuung, was eine Komplizenschaft mit der Freundin war, aber auch eine geteilte Wertschätzung und das Teilen eines Reizes, der sie nicht gefühllos ließ.
Nach einigen Tagen Anwesenheit im Gruppenzentrum von Bologna, am Ufer des Flusses Reno, kam der Tag für die Abreise zum endgültigen Bestimmungsort. Die Reise von Bologna, reduziert auf einen Trümmerhaufen, in Richtung Konzentrationslager in der Toskana war ziemlich abenteuerlich auf großen militärischen Lieferwagen, die auf ziemlich gefährliche Art und Weise von selbstsicheren Farbigen in Uniform gesteuert wurden. Es entging Elvira nicht, dass jener amerikanischer Soldat wirklich ein schöner Junge war, der sie anzog, als er ihnen freundlich half, auf den Laster zu steigen, während bei jedem Halt die roten Partisanen sich an jeder Ecke der Straße bereithielten, um sie mit Steinen zu bewerfen.
Während Margherita, wie es ihre Art war, ein bisschen abseits stand, solidarisierte Elvira sich mit allen Kameraden und Kameradinnen. Als sie die Kurven des Apennin hinauffuhren, ließen sich die Gefangenen zu „patriotischen“ Gesängen hinreißen; die den Alliierten absolut nichts bedeuteten, wenn sie mit faschistischem Einschlag waren, aber dennoch vermieden sie es, diese zu singen, wenn sie irgendein Dorf passierten.

Traduzione dall’italiano al tedesco di Gianni Casoni e Christine Konstantinidis

www.tedescotraduzioni.com

Nessun commento:

Posta un commento